Werbe-Guru Amir Kassaei in Berlin


Wer: Amir Kassaei – Werber
Wo: Berlin – Prenzlauer Berg

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Der braune Parkettboden umhüllt die ineinander fließenden Ebenen wie eine Haut: Kamin und einklappbares Sofa, darüber die Ess-Ebene

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Amir Kassaei in seiner goldenen Küche; der Farbton „Byzanzgold Metallic“ ist der des legendären Mercedes Models /8

Es gibt nicht viele Menschen, auf die der Begriff Kosmopolit so zutrifft, wie auf den Werber Amir Kassaei. In Teheran geboren, flüchtete der damals 13-jährige Kindersoldat vor dem Iran-Irak-Krieg im Kofferraum eines Schleusers über die Türkei nach Österreich. Er machte in Wien seine Matura, studierte in Paris Wirtschaft, arbeitete als Werbetexter in Hamburg und wurde dann geschäftsführender Gesellschafter der Werbeagentur DDB Group (Dane, Doyle, Bernbach), deren weltweiter CCO er heute ist. Kassaei, der zu den drei besten Kreativchefs der Welt gekürt wurde, gewann mehr als 2.000 nationale und internationale Werbepreise. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in New York, auf Ibiza und in Berlin. 2004 – inmitten des Prenzlauer-Berg-Kiezes – realisierte der Mann mit dem Wiener Akzent einen modernen Wohntraum auf 265 Quadratmeter über zwei Etagen im Dachgeschoss eines Altbaus.

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Amir Kassaei, weltweiter CCO der Agentur DDB, relaxt in seinem Eames Lounge Chair

MyStylery: Prenzlauer Berg ist die kinderreichste Gegend in ganz Europa, in der die hiesigen Mütter einen Ruf wie Donnerhall genießen. Was hat Dich hierher verschlagen?
Amir Kassaei: Meine Agentur DDB hatte vor zehn Jahren die Büros in der Nähe. Der Kiez ist nach wie vor gemütlich, wenn auch nicht mehr ganz so eckig und kantig. Und die berüchtigten Mütter stören mich nicht (lacht). Als Vater von vier Kindern vermittelt mir das Viertel das Gefühl, noch nicht tot zu sein.

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Blick von der Galerie in den unteren Lounge-Bereich

MS: Man ist überrascht, wenn man das Gründerzeithaus von außen sieht und dann Deine Wohnung betritt. Ein unerwarteter Kontrast.
AK: Ja, zumal wir an der denkmalgeschützten Außenfassade nichts verändern durften. Bei der Wohnung ging es darum, kein hypermodernes Konzept zu entwickeln. Die Harmonie der Formen und Farben war mir wichtig und die Idee, von Anfang an Architektur und Inneneinrichtung miteinander zu verbinden. Ich wollte die größtmögliche Flexibilität. Das Sofa zum Beispiel klappt sich per Knopfdruck aus dem Boden heraus und verschwindet, wenn es gerade nicht gebraucht wird.

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Eero Saarinens „Tulip Chair“ und Tisch von Knoll; davor ein „Tripp-Trapp“-Stuhl für die Kinder …

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… darüber zwei „Caboche“-Lüster, dem Design-Klassiker von Foscarini

MS: Es gibt auf 265 Quadratmetern keine abgetrennten Räume – bis auf das Kinderzimmer. Alles ist offen und fließt ineinander über. Wo ist Dein Rückzugsort?
AK: Das ergibt sich, wir haben hier schließlich acht verschiedene Handlungsebenen: Kochen, Essen, Sitzen, Schlafen, Arbeiten, Relaxen, Eintreten und Hinausgehen. Variable Vorhänge schaffen Räume und öffnen sie wieder. Oft wirken riesige Räume wie ungemütliche Turnhallen, in denen man sich völlig verloren fühlt. Ich wollte große Räume, aber mit Behaglichkeit.

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Variable Vorhänge trennen den Schlafbereich vom Wohnen

MS: Zweieinhalb Jahre Bauzeit hat der Umbau in Anspruch genommen. Hast Du da zwischendurch keine Krise bekommen?
AK: Als ich einzog, war das hier teilweise immer noch eine Baustelle. Tatsächlich waren es die Trockenbauer, die sich fast umgebracht hätten (lacht). Es sollte hier nicht eine Ecke oder Kante geben. Alles ist rund – inklusive der Oberlichter. Und das kostet Zeit und Nerven.

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Das abgerundete TV- und Kamin-Element wurde aus Autostahl konstruiert: „Nur auf diesem Untergrund ist der Lack optisch so ausdrucksstark“, erläutert Kassaei

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„Heute sind runde Abzugshauben eine Standardform,“ sagt Amir Kassaei, „aber als die Wohnung 2004 gebaut wurde, haben wir lange danach suchen müssen.“

MS: Was macht einer, der eigentlich eher kühle Sachlichkeit bevorzugt und nicht kocht, mit einer goldenen Küche?
AK: Ich suchte nach einer starken Farbe und da kam nur eine infrage: der Goldton des legendären Daimler-Benz-Modells /8 – Strich-Acht – aus den siebziger Jahren. Es hat ewig gedauert, bis ich einen mittlerweile pensionierten Lackmeister aufspürte, der mir „Byzanzgold Metallic“ anrührte. Und das gleich in solchen Mengen, das noch ungefähr 40 Meter der goldbesprühten Aluminiumplatten auf Halde stehen. Bei uns kocht meine Frau und da sie mit der ursprünglich minimalistisch ausgestatteten Variante nicht zufrieden war, wurde die Küche um Schränke und Geräte aufgerüstet.

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Amir Kassaei vergleicht den Goldton seines iPhones mit dem der Küchenfront: „Byzanzgold Metallic“, der Farbe des legendären 70-er Jahre Modells /8 von Daimler Benz

MS: Du jettest an 200 Tagen im Jahr durch die Welt…
AK: … und die Medien klatschen Beifall, dass Frau Merkel in einer Woche 20.000 Meilen geflogen ist. Das ist für mich der reinste Spaziergang (lacht).

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Das Foto von Starfotograf Rankin zeigt die French-House Band Cassius

MS: Bei den vielen Reisen und drei Wohnsitzen: wo fühlst Du Dich zu Hause?
AK: Ich bin ein Flüchtlingskind, war schon immer „on the road“. Das hat durchaus Vorteile, denn ich kann mich überall anpassen. Ich fühle mich sehr heimisch auf Ibiza. Und freue ich mich immer wieder darauf, in Berlin zu sein. Berlin ist neben New York die einzige Stadt, in der ich leben möchte. Zuhause sein ist für mich eher ein Gefühl, das nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist.  BvH

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Amir Kassaei mit Muhammad Ali bei einem Thanksgiving Dinner 2003. Der Boxer ist Kassaei ein Vorbild „wegen der ultimativen Konsequenz im Handeln“.

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Durch das Entfernen der ehemaligen Decke misst die Galerie siebeneinhalb Meter Höhe

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Die Fotoarbeit „Romy“ von Axel Krieger neben einem Vintage Sessel

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Die Morgen-Sonne lässt die goldenen Bisazza-Mosaikfliesen im Bad schimmern. „Man duscht in Gold“, sagt Amir Kassaei

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Schöne Grüße von Karl Lagerfeld

There are 6 comments for this article
  1. at 11:04

    Pretty sophisticated und sehr cool, die Wohnung von Amir Kassaei. Die Stiegen und Kanten sowie Niveauunterschiede dürften bei uns in Österreich sicher nicht ohne Geländer sein; wie ist das in Deutschland?

    • at 12:39

      Lieber Pauli,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Soweit ich informiert bin, betreffen diese Auflagen in erster Linie öffentliche Gebäude und Treppen mit mehr als drei Stufen. Im privaten Bereich ist es eigenes Risiko. Näheres erfährst Du in der jeweiligen Landesbauordnung (LBO).
      Viele Grüße, Birgit

  2. at 19:36

    Hallo Birgit,

    eine tolle Wohnung und ein sehr sympathisches Interview!
    Vielen Dank, dass Du dies mit uns teilst. 🙂

    Liebe Grüße
    Marni

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