Zu Besuch bei Taschen-Designerin Lili Radu


Wer: Lili Radu, Designerin
Wo: Frankfurt

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Taschen-Designerin Lili Radu in ihrer Frankfurter Dachgeschosswohnung. Im Hintergrund eine Collage ihrer Freundin, der österreichischen Künstlerin Romy Rodiek

Sie ist die Senkrechtstarterin der Branche: Schon während des Studiums gründete Lili Radu ihr eigenes  Label – mit einer Tasche für Laptops. Sie entwirft als einzige deutsche Designerin für den Computerkonzern Apple, und ihre Modelle begeistern sogar Fußballbundestrainer Jogi Löw. Wie die Frankfurterin das hingekriegt hat? Mit Professionalität und einer ganz besonderen Work-Life-Balance.

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Fürs schnelle Frühstück reicht ein kleiner Stehtisch mit 50er-Jahre-American-Diners-Hockern

Wer Lili Radu in ihrer Dachgeschosswohnung mitten im Frankfurter Verlagsviertel im Stadtteil Sachsenhausen besucht, fühlt sich gleich wie zu Hause. Die Begrüßung ist so herzlich wie unter langjährigen Freunden, und bevor es losgeht mit den Fotos, serviert sie erst einmal Frühstück mit allem Drum und Dran. Ihr Mann Patrick Löwe ist extra noch mal runter zum Bäcker und hat frische Brötchen und Croissants besorgt. Auch er gehört zur Firma. Der Betriebswirt ist der Geschäftsführer von Lili Radus gleichnamigem Taschenunternehmen, das sie 2010 mit erst 29 Jahren gegründet hat. Überhaupt gehen bei den beiden Arbeit und Privates sehr fließend ineinander über: Nur eine schmale Wendeltreppe weiter oben befinden sich ganz unterm Dach ihr kleines Atelier und ihr Showroom.

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Im Oberstübchen: Die Galerie direkt unterm Dach nutzt Lili Radu als Atelier, Büro und Showroom. Der Schreibtisch ist der Klassiker von Egon Eiermann, entworfen 1953, davor ein Stuhl des slowenischen Designers Niko Kralj, mit dem sie für eine Kooperation zusammenarbeitete

Hier sitzt sie dann an ihrem Schreibtisch über ihren Entwürfen, probiert alle möglichen Farbkombinationen aus und tüftelt an neuen Formen. Bis ein Modell aus edlem Kalbsleder serienfertig ist, werden vorher rund acht Probetaschen genäht. Mit „shitty material“, billigem Kunstleder, wie Lili Radu sagt. Währenddessen kümmert sich Patrick Löwe ums Geschäftliche, vereinbart Treffen mit Kunden, Einkäufern und Lieferanten, die dann häufig hier in der Wohnung stattfinden. Es gibt viel zu tun, das Label wächst rasant. Nach nur fünf Jahren werden Taschen von Lili Radu auf der ganzen Welt verkauft, in Japan genauso wie in den USA, darunter erste Adressen wie „Bloomingdale’s“ in New York und Los Angeles. Allein in Deutschland ist das Label in über 35 Städten vertreten.

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Typischer Arbeitsplatz? Beinahe. So ein seltenes Objekt wie die Stachellampe von Christian Aspernig hat nun wirklich nicht jeder

Eine gut funktionierende Work-Life-Balance also, die sich ebenso in Lili Radus Kleidungsstil widerspiegelt. „Am liebsten mag ich Sachen, mit denen ich rund um die Uhr passend angezogen bin“, sagt sie. Das sieht dann so aus: sie trägt bequeme Jeans zum Arbeiten am Schreibtisch, und wenn dann ein Businessmeeting ansteht, zieht sie einfach einen dunkelblauen Blazer drüber. Oder kombiniert das unkomplizierte Strickkleid von Salvatore Ferragamo tagsüber mit Ballerinas, abends mit High Heels und wirft, wenn es mal etwas rockiger sein soll, schnell noch ihre Lieblingsjacke aus Wildleder von Acne Studios über. In ihrem winzigen Ankleidezimmer zeigt sie noch mehr ihrer Favoriten: den Mantel von Diane von Furstenberg, den Jumpsuit von Alexander McQueen, das Batik-Sommerkleid von Stella McCartney. Sie hat zwar eine ganze Menge davon, doch es müssen nicht unbedingt Designerstücke sein: „Ich bin eine Entdeckerin, kaufe viel auf Reisen und mache mich gern auf die Suche nach kleinen neuen Läden und Labels.“

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Manchmal muss es einfach so ein richtiger Hingucker sein wie der Fellmantel mit Leo-Print von Diane von Furstenberg

Viel herumgekommen ist sie wirklich, Lili Radu ist eine Kosmopolitin im besten Sinne: Aufgewachsen in Frankfurt, der Vater Chirurg, ursprünglich aus Rumänien, die Mutter Schauspielerin. In Wien hat sie Betriebswirtschaft und Publizistik studiert, mit Auslandssemestern in Barcelona, New York und Rom. Im Anschluss machte sie in Mailand noch ihren Master in Fashion Management. Schon während des Studiums gründete sie ihre Firma – mit Laptop-Taschen. „Ich war immer auf der Suche nach einer, die nicht nur praktisch ist, sondern auch schick aussieht. Weil ich keine fand, habe ich selbst welche entworfen.“

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Auf die richtige Verpackung kommt es an. Darum verkauft Lili Radu ihre Taschen in knallig pinkfarbenen Beuteln

Auf dieser Idee beruht ihr ganzes Geschäftsmodell: hochwertige, schöne und gleichzeitig funktionale Lederwaren. Nicht nur Laptop-Taschen, längst hat sie außerdem elegante Handtaschen, Clutches, Beutel mit gehäkelten Lederriemen und Geldbörsen im Programm. Aber, so sagt sie: „Die schönste Tasche bringt nichts, wenn sie sich nicht verkauft. Ohne den kaufmännischen Hintergrund wäre ich wahrscheinlich schon pleite.“ Sicher ist es nicht nur ihr Geschäftssinn, sondern auch ihre offene und herzliche Art, die sie so erfolgreich macht. Gleich auf ihrer ersten Modemesse, der „Bread & Butter“ in Berlin, entdeckte sie ein Mitarbeiter von Apple, und nur ein paar Wochen später nahm der Konzern mehrere Laptop-Taschenmodelle von ihr in sein Sortiment auf. Damit ist sie die einzige deutsche Designerin, die für den Computerriesen arbeitet.

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Alt und Neu verträgt sich gut: Das dunkle Holz der alten Balken sowie des Bodens bildet einen schönen Kontrast zu den modernen, hellen Möbeln. Aufgefangen wird das Stilprinzip mit einem einzigen schwarzen Eames-Chair unter lauter weißen

Ein weiterer großer Wurf gelang ihr zur Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien, als sie mit ihrer Freundin Sarah Brandner, zu der Zeit noch mit Bastian Schweinsteiger liiert, eine spezielle WM-Kollektion entwarf. Auf einmal gingen Fotos von Bundestrainer Jogi Löw mit einer ihrer Taschen unterm Arm durch die Medien und machten sie noch ein bisschen bekannter. Ihr Faible für die große weite Welt sieht man auch der Einrichtung an. Neben Designklassikern wie den Esstischstühlen von Charles Eames fallen die vielen Reisemitbringsel aus fernen Ländern auf: kleine asiatische Holzpuppen, ein buntbemalter Hausaltar aus Mexiko, ein Mokkaservice von einem Basar in Istanbul – der Stadt, in der sie ihre Taschen fertigen lässt.

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Ihre Taschen hat Lili Radu immer im Blick. In der winzigen Kleiderkammer neben dem Schlafzimmer wäre dafür ohnehin kein Platz mehr

Und überall hängen Fotos von ihrer Hochzeit, die in der Toskana stattfand, mit anschließenden Flitterwochen quer durch Afrika. „Eine tolle Feier. 230 Gäste, 47 Singles, 24 Nationalitäten“, erzählt Lili Radu. Nun ist aber erst einmal Berlin dran. Dorthin hat sie kürzlich den Hauptsitz ihrer Firma verlegt und praktiziert das gleiche Modell wie in Frankfurt: Gewohnt wird da, wo gearbeitet wird. Und man kann bei Lili Radu wohl sicher sein, dass sie das mit der Work-Life-Balance an jedem Ort ziemlich gut hinbekommt.
Auszug aus dem Buch „Fashion at home“ von Christine Mortag & Dennis Braatz

_dsc9124pressebild_ Lili Radu

Lieblingsfarbe? Blau natürlich. Damit der Ton gerade im Schlafzimmer nicht zu kühl wirkt, wählt man wie Lili Radu eine Nuance mit mehr Rotanteil, die fast ins Violette geht. Der Nachttisch ist ein Erbstück ihrer rumänischen Großmutter und harmoniert bestens mit dem weißen Bett

Stilgeheimnisse von Lili Radu

  1. Nimm lieber ein Accessoire als ein neues Kleidungsstück, wenn du dein Outfit aufpeppen willst.  Mit Accessoires kann man jeden Look verändern.
  2. Ich will mich nicht mehrmals am Tag umziehen. Darum trage ich am liebsten Sachen, mit denen man für jede Gelegenheit gut angezogen ist. Jeans mit weißer Bluse passen ins Büro, zum Businesslunch kommt ein dunkelblauer Blazer dazu. Kleider trage ich tagsüber mit Ballerinas, abends mit High Heels.
  3. Die liebsten Stücke habe ich in kleinen Läden  auf Reisen entdeckt, abseits der ausgetretenen Pfade. Also: Nicht immer nur in Geschäfte gehen, in die alle rennen. Reisemitbringsel sind nicht nur eine schöne  Erinnerung, sie machen auch jede noch so gestylte Wohnung sofort persönlicher.
  4. Antiquitäten und alte Erbstücke lassen sich gut in ein modernes Ambiente integrieren. Aber: Die Stücke brauchen genügend Raum um sich herum. Darum niemals die Wohnung damit überfrachten.
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„Hier war Goethe“ stimmt nicht ganz, doch immerhin wurde der berühmte Sohn der Stadt 1749 in Frankfurt geboren. Andy Warhol hat den Dichter 1982 in einer seiner Siebdruckserien verewigt. Das Original hängt praktisch gleich um die Ecke – im Städel Museum

_dsc9140pressebild_ Lili Radu

Einige wenige Farbakzente wie der „Acapulco-Chair“ in Türkis beleben den Wohnraum, ohne ihn unruhig wirken zu lassen

MyStylery’s Buchtipp:

Fashion at Home – Wo die deutsche Mode zu Hause ist

Wer bestimmt die deutsche Mode? Wer sind die Menschen hinter den Marken, was inspiriert sie und vor allem – wie leben sie? In sehr persönlichen Porträts und anhand exklusiver Fotos zeigen Christine Mortag und Dennis Braatz in ihrem Buch die ganz privaten Räume von Designern aus Deutschland und der Schweiz, die stilprägend für die deutsche Mode und unsere Zeit sind.

Modemacher ganz privat

Dazu gehören etablierte Kreative wie Adrian Runhof und Johnny Talbot, aber auch Newcomer wie Marina Hoermanseder und Julian Zigerli sowie die Schmuckdesignerinnen Saskia Diez und Renate Schrems. Die Designer gewähren private Einblicke in ihre Häuser und ihr Leben, sie haben für dieses Buch aber auch ihre Kleiderschränke geöffnet und verraten exklusiv ihre ganz persönlichen kleinen und großen Stilgeheimnisse. So schwärmt Mafalda von Hessen in ihrem Anwesen in Rom davon, was sie in Sachen Fashion von ihrem Mentor Giorgio Armani gelernt hat, Otto Drögsler und Jörg Ehrlich vom internationalen Label Odeeh und Frauke Gembalies, die ehemalige Designerin von Rena Lange, geben Einblick in ihre Welt zwischen Mode und Kunst. So ist ein sehr außergewöhnliches Buch entstanden, das durchs Schlüsselloch blicken lässt, und dabei überrascht, staunen lässt und zum Nachahmen inspiriert. Mit exklusiven Fotos von Anja Frers und Ulrike Myrzik. Als besonderes Extra sind dem Buch zwei Schnittmuster (ein Mantel von Talbot Runhof und eine Tunika von Aysen Bitzer, 0039 Italy) beigelegt.

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Weitere Infos unter:

www.callwey.de

Fotos: Anja Frers und Ulrike Myrzik
Text und Fotos mit feundlicher Genehmigung des Callwey Verlags

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