Zu Besuch bei Inés Carvajal


Wer: Inés Carvajal, Ehefrau des spanischen Botschafters
Wo: Spanische Botschaft in Berlin

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Inés Carvajal war zusammen mit ihrem Mann, dem spanischen Botschafter Pablo Garcia für viereinhalb Jahre die Repräsentantin Spaniens in Deutschland

In wenigen Tagen endet die Amtszeit des spanischen Botschafters Pablo Garcia-Berdoy Cerezo und seiner Frau Inés de Carvajal-Argüelles in Deutschland. Dann heißt es Kofferpacken und Abschied nehmen. Ich treffe Inés in der spanischen Botschaft, einem neoklassizistischen, repräsentativen Bau mit Säulenportal und Blick auf den Berliner Tiergarten. Viereinhalb Jahre war das Gebäude, das in der Zeit des Nationalsozialismus erbaut wurde und heute unter Denkmalschutz steht, das Zuhause für Inés und ihre Familie.

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Inés Carvajal unter dem Gemälde der ehemaligen spanischen Königin Sofia im Treppenhaus der spanischen Botschaft

MyStylery: Inés, hast Du Dich in der Botschaft zu Hause gefühlt? Sie ist sehr groß und repräsentativ.
Inés Carvajal: Wir haben hier unsere privaten Räume, inklusive eines privaten Wohnzimmers. An der Einrichtung habe ich allerdings nichts verändert. Wir sind damals mit einem Koffer angekommen. Im Laufe der Zeit hat sich einiges angesammelt. Leider (lacht). Wir sind Sammler. Bücher und Andenken nehmen wir natürlich zurück nach Madrid. Ich denke, je weniger man hat, umso weniger belastend ist es.
MS: Einige Botschafter-Gattinnen haben beim Amtsantritt ihres Mannes erst einmal die gesamte Botschaft umdekoriert…
IC: Abgesehen davon, dass das hier nicht notwendig war, befindet sich Spanien in einer ökonomischen Krise. Da wäre eine derartige Ausgabe unangemessen. Es ist auch nicht unser Haus, obwohl ich mich hier sehr wohlgefühlt habe.

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Der große Salon der spanischen Botschaft empfängt die Besucher in warmen Farben

MS: Dir bleiben nur noch wenige Tage in Berlin. Was wirst Du vermissen?
IC: Unsere hiesigen Freunde werde ich sehr vermissen. Berlin ist so grün, so jung und eine tolle Fahrradstadt. Ich fahre alle Strecken mit dem Fahrrad, auch von Tiergarten nach Dahlem. Das ist gleichzeitig mein Sport. Fahrradfahren gibt mir das Gefühl von Freiheit. Im Sommer bin ich viel in den Berliner Seen geschwommen. Das geht in keiner anderen europäischen Stadt. Ich bin ein Fan von klassischer Musik und das Kulturprogramm in Berlin ist fantastisch. Ich liebe Berlin.
MS: Die Berliner gelten nicht gerade als freundlich und zuvorkommend. Deckt sich das mit Deiner Erfahrung?
IC: Mir gefallen die Aufgeschlossenheit und Offenheit der Berliner sehr. Man könnte doch meinen, wir sind nur für vier Jahre hier, da lohnt es sich nicht, uns kennenzulernen. Das Gegenteil war der Fall. Und obwohl von Anfang an klar war, dass wir nach vier Jahren wieder gehen, könnte ich mir vorstellen, hierzubleiben.

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Inés Carvajal vor Bildern des spanischen Künstlers Francisco Bores und einer Skulptur von José Subira Puig

MS: Ich stelle mir das schwer vor, von einem Standort auf zum nächsten: Gerade hat man sich akklimatisiert, schon ist heißt es wieder adios!
IC: Meine Großeltern waren Diplomaten, ich kenne es nicht anders. Ich war sehr jung, als ich mit 22 Jahren Pablo heiratete. Mit 23 wurde ich das erste Mal Mutter. Juan kam in Manila zu Welt, Pepe in Bonn und der Jüngste, Pablo in Madrid. Die Kinder waren mit uns in Bukarest. Nur mein Ältester ging im Schwarzwald auf das Internat in Sankt Blasien, da es in Bukarest keine deutsche Schule gab. Ich bin gerne im Ausland, das gibt mir eine besondere Energie. Ich bin neugierig und lerne gerne Menschen kennen.
MS: Du bist studierte Hispanistin, hast aber Deine eigene Karriere hinter die Deines Mannes gestellt.
IC: Stimmt, zumal es im Ausland nicht einfach ist, als Frau eines Diplomaten zu arbeiten. Trotzdem habe ich natürlich immer Aufgaben wahrgenommen und mich engagiert. Ein wesentlicher Aspekt des Botschafterdaseins ist Teamwork. Und ich sehe mich mit Pablo als Team. Die repräsentativen Aufgaben machen eigentlich immer Spaß.

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Inés Carvajal und ich zur Teatime unterm Gobelin: Dieser stammt aus dem 17. Jahrhundert

MS: Dabei hattet Ihr keinen leichten Start in Deutschland. Als Ihr vor viereinhalb Jahren nach Berlin gekommen seid, hat Eure Familie einen schweren Schicksalsschlag erlitten.
IC: Mein mittlerer Sohn war an Rhabdomyosarkom, einer sehr seltenen Krebsart erkrankt. Als wir die Diagnose erhielten, sind wir am nächsten Tag nach Boston geflogen, wo man sich auf diese Form des Krebses spezialisiert hat. Pepe wurde operiert und bekam fünf Monate Chemotherapie. Als wir nach Europa zurückkehrten, dachten wir, er wäre vollständig geheilt. In der Zeit hat mein Mann seinen neuen Job als Botschafter in Berlin angetreten. In Deutschland kam der Krebs massiv zurück. Neun Monate danach starb er. Mit 19 Jahren.
MS: Wie geht man als Eltern damit um?
IC: Es ist so schwierig, die richtigen Worte zu finden. Vieles klingt einfach nur nach einer Plattitüde. ‚Du hast ja noch zwei gesunde Kinder‘ oder so. Das hilft nicht weiter.

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Die Tischplatte im Salon ist aus antikem, gegerbtem Leder nach alten Handwerkstraditionen gefertigt

MS: Verzweifelt man?
IC: Es ist eine kaum zu bewältigende Trauer, einen so jungen Menschen zu verlieren. Am Anfang denkst du, du bist in einem Alptraum. In Spanien hätten wir die Trauer und den Abschied sicher anders erlebt. Berlin war eine neue Aufgabe, eine neue Umgebung und Herausforderung, die uns abgelenkt hat. Menschen kennenzulernen war damals meine Lebensrettung. Man schlüpft ja auch in eine Rolle hinein und trägt sein Inneres nicht nach außen. Ich habe immer viel mit meinem Sohn gemacht, habe damals viel gesungen, er hat mich auf dem Klavier begleitet. Pepe hatte einen tollen Humor, ich vermisse ihn sehr.
MS: Manche Partnerschaften zerbrechen an einer derartigen Erfahrung. Hat es Dich und Pablo zusammengeschweißt?
IC: Am Anfang war es schwierig, darüber zu sprechen. Jeder trauert anders. Ich glaube, Männer neigen dazu, wegzulaufen und sich dem Gefühl nicht zu stellen.

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Die repräsentativen Räumlichkeiten der Botschaft dienen für offizielle Anlässe. Deshalb verzichteten Inés und ihr Mann auf Familienfotos oder persönliche Gegenstände

MS: Was hat Dir in der Zeit geholfen?
IC: Ich habe viel über das Thema gelesen. Tatsächlich hat mir aber das Buch Don Quixote de la Mancha geholfen.
MS: Der Mann, der gegen Windmühlen kämpft?
IC (lacht): Einer, der den Kampf mit allem aufnimmt. Miguel de Cervantes hat eine besondere philosophische Art und wie er auf das Leben blickt, ist großartig. Als er das Buch geschrieben hat, war er 58 Jahre alt und konnte seine Lebenserfahrungen in das Buch einfließen lassen. Er war nie als großer Dichter anerkannt und das Buch wurde anfangs auch eher missverstanden. Er war sehr kohärent. Cervantes hat von der Hand in den Mund gelebt, war sehr generös und ist deshalb schon bewundernswert.

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Das blaue Kunstwerk des Künstlers José Maria Yturralde im Esszimmer misst 3,5 x 7,5 Meter

MS: Ich bewundere Deine Fähigkeit, Dich im Deutschen auszudrücken.
IC: Oh, danke! In Deutschland habe ich mich mit Linguistik beschäftigt und mit der Philologie des 15. und 16. Jahrhunderts. Und ich liebe die deutsche Grammatik.
MS: Wirklich? Das wird kaum ein Deutscher über sich sagen.
IC (lacht): Ja, das kann niemand verstehen. Deutsch ist wirklich eine schwere Sprache. Aber ich liebe es, Dinge zu meistern. Tatsächlich spreche ich besser Rumänisch und Englisch.
MS: Und ab Januar kommt mit Französisch eine weitere Fremdsprache dazu…
IC: Genau. Unsere nächste diplomatische Station ist Brüssel.

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Gobelin-Detail: Was für großartige Handwerkskunst!

MS: Ich liebe Spanien mit all seinen Facetten. Trotzdem wird Spanien häufig auf Stierkampf, Paella und Mallorca reduziert.
IC: Das gehört zweifelsohne zu Spanien dazu. Ich finde das völlig okay. Ich persönlich liebe Mallorca auch sehr und verbringe dort mit der Familie den Urlaub.
MS: Wie denkst Du darüber, dass viele Deutsche den Stierkampf kritisch sehen?
IC: Eine schwierige Debatte. Das Thema polarisiert mittlerweile auch in Spanien, gerade in der vegetarischen Bewegung. Ich glaube, dass der Stierkampf eine Tradition ist, die vielleicht nicht überleben wird. Obwohl Stierkampf auch ein Kulturschatz und Kunst ist. Die Schönheit in der Bewegung. Übrigens mit vielen komplizierten Regeln. Einige sagen, das sind die einzigen Regeln, die von allen Spaniern geachtet und akzeptiert werden. BvH

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Das Porzellan der spanischen Botschaft ziert das spanische Wappen

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Zum Desert hat Inés Carvajal frisches Obst vorbereitet

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Ich bin berührt über die Offenheit von Inés und unser Gespräch

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Für die Inneneinrichtung der spanischen Botschaft zeigt die bekannte Interior-Expertin Rosa Bernal verantwortlich

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Inés liebt Kammermusik und die Musik der Renaissance: „Wir gehen gerne in die Oper und die Philharmonie. Sooft es möglich ist. Zuletzt waren wir in Fidelio. Ein tolles Orchester und tolle Sänger.“

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Wusstet Ihr, dass jeder Spanier zwei Nachnamen hat? „Ich trage die Nachnamen meines Vaters und meiner Mutter. Und Pablo die seiner Eltern“, erklärt Inés Carvajal. „Auch wenn man heiratet, nimmt man nicht den Nachnamen des Partners an.“

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Schöner Kontrast von moderner Kunst und antikem Mobiliar

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Ein Portrait des ehemaligen Königs Juan Carlos hängt im Treppenhaus der spanischen Botschaft

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Der Garten der spanischen Botschaft

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„Als die Kinder klein waren, habe ich das Handwerk für mich entdeckt und mir ein Atelier eingerichtet, in dem ich Bücher gebunden habe. Das konnte ich auch gut am Abend machen, wenn die Kinder schliefen.“

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Das neoklassizistische Gebäude im Berliner Tiergarten, in der die spanische Botschaft beheimatet ist

Kontakt:

www.info-spanischebotschaft.de

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