Zu Besuch bei Ivana Jeissing


Wer: Ivana Jeissing, Schriftstellerin
Wo: Brandenburg

Das Haus von Autorin Ivana Jeissing in Brandenburg. Die historische Farbgebung des Hauses musste rekonstruiert werden. Zwei Jahre wurde saniert

Eine schöne Frau in einem schönen Haus an einem schönen See. Klingt fast wie im Bilderbuch. Ist es auch. Die gebürtige Österreicherin Ivana Jeissing lebt an einem der herrlichsten Seen Brandenburgs, über dessen weitverzweigte Wasserwege man hoch bis zur Ostsee gelangt. 1998 kam die erfolgreiche Schriftstellerin nach Berlin. Zunächst lebte sie in einem puristischen Townhouse in der trendigen Mitte der Hauptstadt. Durch Zufall entdeckte Ivana Jeissing  dieses Gründerzeit-Juwel, sanierte es aufwendig und erweckte die nahezu eingefallene Villa mit der hellen Außenfassade und den grünroten Holzelementen aus dem Dornröschenschlaf. Hier lebt die Autorin seit 2012 zusammen mit ihrem isländischen Lebensgefährten und zwei Hunden auf 900 Quadratmetern.

1998 kam die österreichische Schriftstellerin nach Berlin

MyStylery: Über Platzmangel kannst Du nicht wirklich klagen, liebe Ivana…
Ivana Jeissung (lacht): Stimmt! Wie groß das Haus tatsächlich ist, war mir anfangs gar nicht so bewusst. Aber als ich es das erste Mal von der Seeseite her gesehen hatte, war klar, das ist es.
MS: Das Haus und Du habt Euch gesucht und gefunden?
IJ: Ich war schon immer ein Fan der gegenüberliegenden Gärtnerei und habe das Haus über die Jahre beobachtet. Es stand 15 Jahre leer. Keiner wollte dieses zu große, direkt an der Straße gelegene Objekt. Das Grundstück war derartig eingewachsen, dass man den See nicht sehen konnte. Das Dach war teilweise eingefallen. Ein kompletter Sanierungsfall, an den ich mit großer Naivität herangegangen bin.
MS: Inwiefern?
IJ: Die dritte Etage wurde komplett abgetragen. Dach und Dachstuhl wurden erneuert. Das Haus stand unter einer riesigen Hülle wie ein hohler Zahn. Trotz dieser enormen Eingriffe gab es nichts, was nennenswert schiefgegangen wäre. Keine Katastrophen. Am kompliziertesten war der Bau der Terrasse, die es zuvor nicht gab und die genehmigt werden musste. Das Haus diente zu DDR-Zeiten als Alten-Wohnheim und verlief im unmittelbaren Grenzbereich, weshalb Terrassen und Balkone vermutlich entfernt wurden. Ein Haus am See ohne Terrasse kann ich mir gar nicht vorstellen.

Die Terrasse mit Blick auf den See

MS: Du hast vorher fünf Jahre in Berlins wilder Mitte gelebt. Was für ein Kontrastprogramm…
IJ: Mein damaliger Mann und ich hatten ein Townhouse über fünf Etagen in der Oberwallstraße gebaut. Minimalistisch und reduziert, es bestand nur aus Edelstahl, Glas und Stein. Damals wollte ich nur das Nötigste, so dass es nicht einmal einen Schrank gab. Stattdessen Leere wohin man sah. Kein einziges Döschen im Badezimmer, kein Schnickschnack. Es war wie eine innere Inventur, die mir damals sehr gut getan hat. Ich habe dort auch meinen zweiten Roman geschrieben.
MS: Dein erster Roman entstand in einer Berliner Altbauwohnung. Ziehst Du für jedes Deiner Bücher um?
IJ (lacht): Könnte man meinen. Aber plötzlich war die Sehnsucht nach etwas Altem wieder da, ein Haus mit ein bisschen Tüdelüt. Ich kam aus dieser Reduziertheit und fand mich plötzlich wieder in diesem alten Haus mit all seinen verspielten Elementen.

In der Halle der mannshohe Kamin mit seinen bunten Keramikfliesen, dem Wappen der Erbauer und verspielten Details

MS: Was ist das Magische an diesem Platz?
IJ: Es ist der Blick, den man von hier aus hat, der absolut zeitlos ist. Nichts deutet daraufhin, in welcher Epoche wir gerade leben, kein Elektrokabel, kein Auto, kein Anzeichen von unserem Hightech-Zeitalter. Dazu die Ruhe. Und die Natur.
MS: Und es gibt viele Wände für Deine Kunst. Wie wurdest Du zur Sammlerin?
IJ: Als ich Ende der Neunziger Jahre nach Berlin kam lernte ich Künstler über befreundete  Galleristen kennen. Der Kauf meiner ersten Bilder kam über den persönlichen Kontakt zu den Künstlern. Ich sehe mich im Übrigen nicht als Sammlerin, ich lebe einfach gerne mit der Kunst. Mittlerweile sind die Wände voll. Wenn etwas Neues dazu käme, würde ich mich von Vorhandenem trennen.

Installation „Hydrate“ von Sylvie Fleury, darunter eine Porzellanfigur aus den 40er Jahren von Wiener Werkstätten : „Das Geschenk eines Freundes, dem ich während seines Liebeskummers beigestanden habe.“

MS: Worauf liegt Dein Focus?
IJ: Auf zeitgenössischen Arbeiten. Ich entscheide dabei intuitiv und aus dem Bauch heraus und bin nicht festgelegt auf eine bestimmte Richtung.
MS: Welche Kunst käme Dir nicht ins Haus?
IJ: Kitschiges Kunsthandwerk oder dekorative Kunst, die gefallen möchte, sind nicht so meins. Mich interessieren Ecken und Kanten.
MS: Gibt es einen Lieblingskünstler?
IJ: Schwierig zu beantworten. In den Moment, wo man einen nennt, fallen einem viele andere ein. Die letzte Arbeit, die ich gekauft habe, stammt von dem Franzosen Emmanuel Bornstein. Da konnte ich einfach nicht Nein sagen.

Arbeiten mit Blick auf’s Wasser: Hier entsteht der neue Roman von Ivana Jeissing

MS: Du warst als Regisseurin und Creative Director in der Werbung tätig. Wie bist Du zur Schriftstellerei gekommen?
IJ: Ich war auch schon Schauspielerin, bis ich merkte, dass ich überhaupt kein Talent hatte (lacht). Nach all den turbulenten Jahren hatte ich plötzlich das Gefühl, als wäre ich aus einem Highspeed-Auto rausgeschleudert worden. Das war eine echte Herausforderung, denn plötzlich musste ich etwas mit mir anfangen. Ich begann Kurzgeschichten zu schreiben, bis mich meine Agentin zu meinem ersten Roman „Unsichtbar“ motivierte. Das Schreiben ging besser als ich dachte. Und nun fange ich mit meinem vierten Roman an.
MS: Es gibt Schriftsteller, die pro Jahr einen Roman abliefern.
IJ: Zu denen zähle ich eindeutig nicht. Ich brauche länger zum Schreiben. Manchmal komme ich an einen Punkt, da muss ich viel überlegen oder pausiere für mehrere Tage. Ich brauche dann Tapetenwechsel und gehe ans Kühlregal im Supermarkt und schaue mir die Joghurts an (lacht). Manchmal verreise ich aber auch spontan oder treffe Freunde. An anderen Tagen schreibe ich durch und bin total in meinen Figuren und deren Parallelwelt abgetaucht.

„Es gibt keine Originalpläne von dem Haus. Auch der Architekt ist nicht bekannt. Erbaut wurde es 1904 von einer Berliner Bierbrauer-Familie, 1908 erweitert auf insgesamt 900 Quadratmeter Wohnfläche.“

MS: Bist Du beruflich dort angekommen, wo Du Dich immer gesehen hast?
IJ: Ich halte mir stets eine Tür auf mit der Bereitschaft, weiterzugehen. Ich war noch nie an dem Punkt, wo ich beruflich gesagt habe, so, das ist es jetzt.
MS: Du lebst in einer Traumvilla, hast einen tollen Mann und zwei süße Hunde. Bleiben da noch Wünsche offen?
IJ: Ich bin sehr glücklich. Ab und zu träume ich von einem sehr minimalistischen Haus auf Island im Schnee mit Blick auf den Nordatlantik und einem gemütlichen Häuschen in der Sonne. Das Leben in der Stadt will ich nicht mehr. BvH

Ivana Jeissing im Treppenhaus ihrer Villa – stets flankiert von den Hunden

Über Ivana Jeissing:

Ivana Jeissing wurde in Salzburg geboren und wuchs in Österreich und Italien auf. Weitere Stationen in ihrem Leben waren Wien, London und Barcelona. Heute lebt und arbeitet die Autorin in Berlin. Sie war als Regisseurin und Creative Director tätig, bevor sie sich ausschließlich dem Schreiben widmete. Ihr erster Roman „Unsichtbar“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Ihr zweiter Roman „Felsenbrüter“ sowie der dritte Roman „Wintersonnen“ befassen mit den elementaren Fragen des Lebens. Für ihren Erstling „Unsichtbar“ erhielt Jeissing 2008 den DeLia Literaturpreis.

Das Entrée der 1904 erbauten Villa. Den Boden zieren Originalfliesen

Das chinesische Vintage Regal entdeckte Ivana Jeissing in Berlin

Das Bild über dem Sofa ist von Sergej Jensen. Davor die Pusteblumenlampen des südamerikanischen Designers Jorge Pardo

„Die Kupfer-Rehe habe ich in Mailand in einem Antiquitätengeschäft gekauft“, sagt Ivana Jeissing. „Die Bambis erinnern mich an meine Kindheit in Italien.“ Über dem Kamin ein Bild von Carsten Fock, das in Zusammenarbeit mit dem Modedesigner Bernhard Wilhelm entstand

Kamindetail

Eingerahmt von Bildern und Skulpturen ist der weiße Lampen-Klassiker „Nessino Tavolo“ von Artemide

Ölgemälde von Carsten Fock, davor ein Daybed mit blauen Samtkissen

Der Windhund stammt aus einer Galerie in England. „Ich liebe Windhunde und finde, dass dieser ganz wunderbar neben die Porzellanfigur passt, die ich in einem Antikladen in der Berliner Mommsenstraße gefunden habe.“

Schöne Lichtreflexe auf dem kapitonierten Sofa von AMJ Design, darüber „Babydoll“ von Jonathan Meese. Die Muschellampe „Fun Lamp“ ist von Verner Panton

„Come down to Earth” von Daniel Pflumm, daneben eine Skulptur unter Plexiglas von John Bock

Schöne Sichtachse der ineinander übergehenden Räume im Erdgeschoss der Villa

Die fünf Kamine des Hauses sind historisch, aber nicht alle original: Ivana kaufte sie in England oder auf Auktionen. Nur der große Kamin in der Halle mit dem Wappen der Bauherren auf bunten Keramikfliesen, auf denen sich der Künstler verewigt hat, ist original

Ivana Jeissing in ihrer maßgefertigten Küche: „Ich bin 1998 nach Berlin gekommen und habe immer mitten in der Stadt gelebt. Halligalli rauf und runter, inklusive endlosen Partys und Nächten in der Paris Bar. Das brauche ich heute nicht mehr.“

Perfekt arrangierte und farblich abgestimmte Kugelvasen auf dem Kaminsims in der Küche

Das große Küchenwaschbecken ist aus Holz

In der Küche Tulip Chairs und Tisch von Eero Saarinen, dahinter ein braunes Ledersofa von Piero Lissoni

Fast wie im Urlaub: Lunch auf der herrlichen Terrasse mit Blick auf den See

Vom Wohnzimmer geht’s auf die Terrasse mit einem großen runden Tisch und Stühlen von Verner Panton

Alles im Blick hat Jack Russell Rüde Mr. Pipo: Die cognacfarbenen Egg Chairs vorm Kamin sind von Arne Jacobsen

Bild mit Pitbull Terrier: Eine Arbeit des russischen Künstlers Kalonin. „Als ich das Bild erwarb, gab es den Begriff ‚Kampfhund‘ noch nicht.“

In der großen Halle mit dem original Kamin der Ball Chair von Eero Aarnio …

… und einer historischen Stuckdecke, die nicht mehr vorhanden war und nach alten Vorlagen rekonstruiert wurde

Immer dabei: Die Jack Russell Terrier Lady Ena (7) und Mr. Pipo (4)

Die Farben für die Wände hat Ivana Jeissing extra mischen lassen: „Zwei Blautöne, die – je nach Raum und Lichteinfall – unterschiedlich wirken. Von Hellblau bis Blaugrau.“ Die Decken sind als Kontrast in Weiß gehalten

Im Gästezimmer das Ölbild „Alice“ von Stefan Rinck

Die Fassade mit den grünroten Holzelementen erinnert eher an Architektur aus Süddeutschland

Durch die Holzbrüstung geschaut: Von hier aus ergeben sich wunderbare Aussichten …

… die auch die beiden Hunde genießen

Leben, wo andere Urlaub machen

Üppige Rosenbeete säumen das 4.000 Quadratmeter große Seegrundstück

Unterhalb der Terrasse eine geschützte Sitzecke …

… wo es sich auch bei indifferenter Witterung gemütlich sitzen lässt

Ivana Jeissing liebt es, zu gärtnern

Im Garten Rosen, Lavendel und Obstbäume …

… und schattige Plätze unter altem Baumbestand

Mr. Pipo prüft die Lage: Die Wauzis nehmen gerne mal über‘s Wasser Reißaus

Idylle pur am Bootssteg – schöner geht’s kaum, finde ich!

Ivana Jeissing mit der wieder eingefangenen Außreißerin Ena, die sie vor sieben Jahren über einen Aushang im Pferdestall fand. „Mein Windhund war gerade gestorben. Ein Leben ohne Hund kann ich mir nicht vorstellen.“

Kleines Stillleben mit Äpfeln aus dem Garten

Kontakt Ivana Jeissing:

metrolit.de

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