Sileno Cheloni: „Gefühle kann man nicht konservieren.“


Name: Sileno Cheloni
Beruf: Parfümeur
Standort: Florenz, Italien

Fotocredit: Sileno Cheloni

„Mein Lieblingsduft? Pure Rose. Die Rose ist mein Element“, sagt Sileno Cheloni, Parfümeur aus Florenz

MyStylery: Sileno, hast Du schon immer gewusst, dass Du Parfümeur werden möchtest?
Sileno Cheloni: Nein, das war ein zeitlicher Prozess. Ich hatte immer eine Leidenschaft für Parfüms und Düfte und ich erinnere mich, dass ich als junger Mann oft meinen Onkel besuchte, der in Südfrankreich lebte. Dort kaufte ich Dinge, die ich in Italien nicht finden konnte. Hätte ich mich zwischen einer Jacke und einem Parfüm entscheiden müssen, hätte ich immer das Parfüm gewählt. Ein Duft ermöglicht es mir, mich von anderen zu unterscheiden. Er ist ein Teil von mir, den ich wie ein Kleidungsstück trage.
MS: Ein interessanter Gedanke, dass ein Parfüm gleichbedeutend mit einem Kleidungsstück ist.
SC: Absolut. Ich versuche meinen Kunden zu vermitteln, dass das Tragen eines Parfüms wie das Tragen eines Anzugs ist. Parfüm hat die gleiche Wichtigkeit. Natürlich hängt es davon ab, wo man hingeht und was man macht. Die jeweilige Situation beeinflusst uns und unsere Einstellung, wie wir einen Duft tragen. Trotzdem unterscheiden sich diese Momente voneinander, auch wenn wir den gleichen Duft tragen.

Fotocredit: Sileno Cheloni

Der Komponist der Düfte: Sileno Cheloni

MS: Musstest Du eine spezielle Schule besuchen, um Parfümeur zu werden?
SC: Ich habe zuerst visuelle Kunst studiert, weil ich eigentlich Fotograf oder Designer werden wollte. Und ich war immer auf der Suche nach Spiritualität. Ich habe mich mit der Sufismus-Philosophie beschäftigt, die mit der Hindu-Religion und dem Islam verbunden ist, aber auf spiritueller Ebene, ohne irgendeinen politischen Aspekt. Während meiner Reisen nach Zypern traf ich einen Parfümeur, der meine Inspiration war. Ich kaufte auf der Insel Essenzen und Öle und als ich zu Hause ankam, kreierte ich meinen ersten Duft. Meine Waschküche diente als Labor. Das war vor 20 Jahren. Bei dem Prozess, einen Duft zu komponieren, taucht man ein in eine nicht-materielle Welt. Ich befinde mich dann in einer anderen Sphäre. Es ist etwas, was man nicht sieht.
MS: Aber man kann die Flüssigkeit sehen…
SC: Ja, natürlich kann man die Flüssigkeit in der Flasche sehen, aber es ist, als würde man zu einem Konzert gehen und die Musik aufnehmen. Ist das Konzert vorbei, kannst Du die Musik abspielen und hören. Aber die Emotion ist weg. Du kannst Gefühle nicht konservieren. Von dem Moment an, als ich meinen ersten Duft kreierte, fühlte ich, dass das meine Profession ist. Ich fühlte die Leidenschaft, die so stark war, dass es keine Alternative gab.

Parfüm zu kreieren ist Emotion

MS: Eine Fügung des Schicksals sozusagen.
SC: Genau. Allerdings war ich weder Finanz- noch Geschäftsmann. Am schwierigsten ist es, die richtigen Rohstoffe zu finden. Der Parfümmarkt ist eine riesige Industrie, verbunden mit enormen Investitionen, weil Tausende Kilo an Material benötigt werden. Anfangs hatte ich keine Ahnung, wie ich diesen Teil bewältigen sollte. Und dann – stell‘ Dir vor – habe ich meine erste Kollektion bei Harrod’s im fünften Stock präsentiert, wo die exklusivsten Parfümmarken und die teuersten Düfte der Welt angeboten werden. Da stand ich nun mit meinen Parfüms, die in meiner Waschküche aus 50 verschiedenen Rohstoffen entstanden waren. Für mich war das Erstaunlichste, dass die Londoner meine Kreationen wollten und Harrod‘s mein erster Kunde wurde.
MS: Und wie viele Flaschen hast Du verkauft?
SC: Etwa einhundert von jedem meiner fünf Parfüms. So fing es an. Dann erkannte ich, dass ich Unterstützung brauchte, um bessere Quellen für die Rohmaterialien zu finden und die Produktion zu optimieren. Es ist schwierig, Zugang in diesen reglementierten Markt zu bekommen. Eine meiner Lieblingszutaten, die Mai-Rose aus der Gegend von Grass in der Provence, kann ich heute noch nicht kaufen. Obwohl ich vor Jahren den Sohn der größten italienischen Parfümeure kennenlernte, der heute mein bester Freund ist. Die Mai-Rose wird ausschließlich für die Firma Christian Dior hergestellt.

 

Fotocredit: Sileno Cheloni

Sileno Cheloni: Vor ein paar Jahren hat er auch den Signature-Duft von Gucci entwickelt

MS: Was ist die wichtigste Voraussetzung für Deinen Job? Ist es eine gute Nase?
SC: Natürlich ist die Nase wichtig. Aber es geht mehr noch um Kreativität, Ideen und Leidenschaft.
MS: Hast Du mal das Buch „Das Parfüm“ von Patrick Süskind gelesen?
SC: Ja. Und mir hat es sehr gut gefallen. Es ist ein wenig übertrieben, aber das Gefühl und der Prozess der Arbeit sind gut beschrieben. Man muss als Parfümeur Teil der Entstehung eines Duftes sein. Selbst wenn ich im Urlaub bin, konzentriere ich mich auf alle Gerüche und Einflüsse. Ich speichere diese Informationen, um sie irgendwann zu nutzen.

Eine gute Nase ist wichtig

MS: Gibt es Düfte, die Du überhaupt nicht magst?
SC: Um ehrlich zu sein, ich mag sie alle. Sogar die Schlimmsten (lacht).
MS: Auch “Poison” von Christian Dior? Ich finde, der Name ist Programm. Nie werde ich die amerikanischen Einkaufszentren der 80er Jahre vergessen, in denen es flächendeckend nach „Poison“ gerochen hat.
SC: Wenn man „Poison“ mag, dann sollte man es tragen. Wenn man jedoch in ein Restaurant oder eine Bar geht, wo andere Leute essen und trinken, rate ich, auf einen so intensiven Duft zu verzichten. Es ist überhaupt nicht elegant, eine Duftwolke von fünf Metern zu hinterlassen. Im Gegenteil, es ist eine Zumutung. In solchen Situationen sollte das Parfüm besser auf der Haut getragen werden. Und nicht auf der Kleidung. So bemerken andere Dein Parfüm nur dann, wenn sie Dir nahe kommen.

Fotocredit: Sileno Cheloni

„Parfüm besser auf der Haut tragen. So bemerken andere es nur dann, wenn sie Dir nahe kommen.“

MS: Bevor Du Deine eigene Marke in Florenz gegründet hast, hast Du für Gucci und andere Luxusmarken gearbeitet. Worin liegt der Hauptunterschied in Deiner Arbeit?
SC: Ich arbeite immer noch für diese Firmen und entwickle zum Beispiel Home Fragrances und Duftkerzen, was meine Kreativität erweitert. Für ein großes Unternehmen zu arbeiten, bedeutet, sich mit vielen Menschen, dem Marketing, dem Designer, den Verantwortlichen auseinanderzusetzen und sich immer auf das Image der Marke zu konzentrieren. In allen weltweiten Gucci-Stores nimmt man einen bestimmten Duft war, sobald man das Geschäft betritt. Es ist dieser Geruch, der etwas über die Marke erzählen muss. Und ich habe ihn kreiert. Auf der anderen Seite habe ich mein eigenes Label, wo ich mich ausdrücken kann. Und niemand wird mir je vorschreiben, wie.
MS: Jedes Jahr fluten Hunderte neuer Düfte den Markt – sie kommen und gehen. Ich frage mich, warum es nur wenige sind, die das Zeug zu einem echten Klassiker haben.
SC: Alle kopieren sich gegenseitig. Jedes Unternehmen versucht ein Parfüm auf den Markt zu bringen, das sich von anderen unterscheidet. Oft ist es genau dieses, was sich kaum verkauft. Mit etwas Glück – und wir wissen nicht warum – könnte dieses Parfüm irgendwann sehr berühmt werden. Und damit dann auch zum kommerziellen Erfolg inklusive medialer Aufmerksamkeit. Denke nur an Davidoff oder L’Hiver de Guerlain, die Klassiker seit zwanzig Jahren. Diese Parfüms waren damals völlig anders als die Konkurrenzprodukte. Der Markt war bereit für etwas Neues. Deshalb ist Oud* – eine starke orientalische Duftkomponente – auf dem Markt gerade angesagt, obwohl es sich dabei zunächst um ein reines Nischenprodukt handelte.

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Der Meister der Düfte Sileno Cheloni und ich

MS: Es gibt Düfte, die einige hundert Jahre alt sind, die wir heute jedoch nicht mehr tragen würden.
SC: Da sind viele Faktoren, warum ein altes Parfüm auf dem heutigen Markt nicht funktioniert. Ein schönes Auto aus den dreißiger Jahren ist heute auch eher schwer zu fahren, es gibt kaum Ersatzteile, weder fortschrittliche Technik noch eine Klimaanlage. Aber dafür eine große Belastung für die Umwelt.
MS: Erinnerst Du Dich, wie viele Düfte Du in Deiner Karriere als Parfümeur kreiert hast?
SC: Keine Ahnung (lacht)…
MS: Gibt es einen neuen Trend in der Branche? Spielen Trends für Dich überhaupt eine Rolle?
SC: Was ich mehr mag, ist, auf kleiner Ebene zu arbeiten und so Einfluss auf die großen Marken zu nehmen. Das ist viel interessanter. Wenn man einen Trend setzt, ist man damit nicht automatisch glücklicher. Die Entwicklung eines Trends obliegt keineswegs dem Zufall. Viele Experten sind daran beteiligt. Der Kreative wird dabei Teil einer perfekten Maschinerie. Ich bevorzuge es, meinen eigenen kleinen Ort zu haben, wo ich mich ausdrücken kann – und von dort Trends zu beeinflussen, statt ihnen zu folgen. BvH

Kontakt:

silenocheloni.it

Info Oud:

*Oud ist ein Duftöl, das aus dem Harz des Adlerbaums gewonnen wird. Die richtige „Würze“ entwickelt das Harz allerdings nur, wenn es von einem relativ seltenen Schimmelpilz befallen wird – je stärker, desto besser. Dann kann Oud pro Kilo rund 50.000 Euro kosten. Ob Herren, Damen- oder Unisexduft – Oud-Parfüms wird eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. (Quelle: Douglas)

 

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There are 2 comments for this article
  1. Carmen
    at 16:50

    Liebe Birgit,
    es war mir wieder eine Freude. Heute am Sonntag hatte ich die Muße, Deinen neuen
    Artikel zu lesen. Es ist bestimmt sehr interessant immer wieder unterschiedliche Menschen zu treffen und zu interviewen. Und Sileno gehört, so wie ich das lesen konnte, zu den sympathischen Zeitgenossen. Das Interview war sehr kurzweilig und hat uns Leser ein bisschen die Welt der Parfümeure gezeigt.

    • at 12:59

      Liebe Carmen, ja, tatsächlich eröffnen einem diese Begegnungen immer wieder neue Aspekte und Einblicke. Ich liebe diese Vielseitigkeit an meinem Beruf und freue mich, meine Erfahrungen mit Euch teilen zu können.

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