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Bauhaus-Architektur in Tel Aviv
Was: Bauhaus-Architektur
Wo: Tel Aviv, Israel
Sanierter Altbau oder ganz neue Architektur? Viele Neubauten entstehen im Bauhaus-Stil
Mein Ziel heißt dieses Mal Tel Aviv. Als Architekturfan freue ich mich besonders auf diese Reise, denn die größte Stadt Israels ist bekannt für ihre Bauhaus-Architektur und wird deshalb auch die ‚Weiße Stadt‘ genannt. Doch von der ‚Weißen Stadt‘ ist nicht viel übrig geblieben. Häuser mit einer strahlend weißen Fassade sind eher die Ausnahme, die meisten Häuser im Zentrum Tel Avivs sind grau oder braun, viele sind im Begriff, völlig zu verfallen. Hohe Luftfeuchtigkeit, Hitze und Abgase tun ihr Übriges. Ich bin vom Äußeren Tel Avivs enttäuscht, denn nur mit Fantasie erkenne ich die einstige Perle der Architektur, die vor zwölf Jahren von der UN-Kulturorganisation Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Dafür erschließt sich mir der Reiz der Stadt und ihr Inneres auf eine ganz andere und besondere Weise. Tel Aviv hat etwas eigenes und zieht mich schnell magisch an.
Um finanzielle Anreize für Sanierungsmaßnahmen zu schaffen, dürfen Hausbesitzer die Gebäude um zwei Geschosse aufstocken – was jedoch von Bauhaus-Experten durchaus kritisch gesehen wird
Es waren die Architekten Walter Gropius, Le Corbusier und Erich Mendelsohn, die den berühmten Bauhaus-Stil in den 1920er und 1930er Jahren in Weimar, Dessau und Berlin prägten. Europäische Emigranten – darunter 20 jüdische Architekten aus Deutschland – etablierten im neu entstehenden Tel Aviv den Bauhaus-Stil: Denn für die vielen neuen Einwanderer in Palästina brauchte man funktionale Wohnungen, da passte das Bauhaus-Prinzip „Die Form folgt der Funktion“ perfekt. In der einstigen Wüste entstanden zwischen 1933 und 1948 insgesamt 4.000 Gebäude in klaren, abgerundeten Formen, geraden Linien, verkanteten Kuben. Es ist damit ein einzigartiges Bauhaus-Ensemble mit mehr Häusern, als in Weimar, wo das Bauhaus gegründet wurde, als auch in Dessau, wohin es später umzog.
Kontrastprogramm: im Hintergrund ein frisch saniertes Haus, das vordere Gebäude ist vom Verfall bedroht
Im Sommer wird es in Tel Aviv sehr heiß. Temperaturen von über 40 Grad sind keine Seltenheit. Das Bauen im Nahen Osten erfordert deshalb eine andere Bauweise als in Europa, was die Architekten mit großzügigen Balkonen und horizontalen Schlitzen in den Balustraden zur Luftzirkulation entsprechend berücksichtigten.
Gerademal 1.600 der 4.000 Bauten wurden bislang renoviert
Gerademal 1.600 der 4.000 Bauten wurden bislang renoviert – bislang ohne staatliche Förderung. Es obliegt den jeweiligen Besitzern, die Häuser zu sanieren. Mittlerweile hat sich Hilfe aus Deutschland angekündigt: Bundesbauministerin Barbara Hendricks machte eine Förderzusage von insgesamt 2,8 Millionen Euro. Ich frage mich, warum nicht längst gehandelt wurde, um den einmaligen Architekturschatz vor dem kompletten Zerfall zu bewahren. Die Unesco hatte Israel bereits gewarnt, der Weltkulturerbe-Titel könnte auch wieder entzogen werden. Nun scheint Israel endlich aufgewacht zu sein. BvH
Hier wird saniert. Endlich!
Tipp:
Das Bauhaus Center bietet geführte Touren oder Audio Guides durch die ‚Weiße Stadt‘ mit ihrer Bauhaus Architektur an:
Dizengoff Straße 99
63461 Tel Aviv, Israel
Von Jaffa aus genieße ich den Blick auf die Silhouette Tel Avivs
Häufig habe ich beobachtet, dass obere Stockwerke eines Hauses vom Einsturz gefährdet sind, aber im Erdgeschoss noch Läden öffnen
Das Institut Francais am Rothschild Boulevard
Strahlendes Weiß: Neubau im Künstler-Viertel Florentin
Aufbruch: Dieses Haus hat jahrelang auf seine Sanierung warten müssen
Ein gelungenes Sanierungs-Beispiel am Rothschild Boulevard
Verfall des Weltkulturerbes
Hier zerfällt eine Perle der Architektur – die Graffiti-Szene hat übernommen
In den 1930er und 1940er Jahren brachten die Emigranten teilweise Baumaterialien aus Deutschland mit. Da Juden nach 1933 kein Geld mehr ausführen durften, kauften sie Fliesen, Kacheln, Fensterläden und anderes – um eine neue Heimat aufzubauen
Tel Aviv von oben: Blick aus dem Levinstein Tower
Für das Habimah-Theater an der Sderot Tarsat in Tel Aviv-Yafo wurden Bauhaus-typische Elemente in der Architektur integriert
Geht doch! Harmonie von Alt- und Neubauten am Dizengoff-Platz
Das ehemalige Kino Esther am Dizengoff-Platz – heute ein Design-Hotel
Die hiesigen Temperaturen erfordern besondere Maßnahmen: Horizontale Schlitze in den Balustraden sorgen für Luftzirkulation
Außenansichten
Kulturerbe braucht staatliche Förderung
Form folgt der Funktion
Tel Aviv ist seit seiner Gründung im Jahr 1909 nie stehengeblieben. Die Stadt gleicht heute in vielen Vierteln einer Großbaustelle. Gigantisch, oder?
Hier bröckelt der Putz: Das Erbe der europäischen Einwanderer, die sich in Israel ihre neue Heimat aufgebaut haben, droht zu verfallen
Die feuchte Luft, die vom Mittelmeer in die Stadt weht, lässt die Fassaden-Farbe schnell abblättern
Himmel, was für eine Aussicht! Skyline von Tel Aviv vor blauem Meer
Beindruckende Architektur des Ben Gurion-Airports, benannt nach dem ersten Premierminister Israels David Ben Gurion
Ein Relikt aus den späten 60er Jahren: Das Hilton-Hotel in Tel Aviv, traumhaft gelegen im Independence-Park direkt an der Promenade. Fast schon wieder gut!