Was: Bernheimer Contemporary, Kunstagentur Wo: Berlin-Mitte Berlin ist um einen…
Matteo Thun: „Wir sind alle Designer.“
Wer: Matteo Thun, Architekt & Designer
Wo: Mailand, Italien
Star-Architekt Matteo Thun und ich auf der Mailänder Design-Messe Salone del Mobile
Seine Entwürfe sind bekannt, Ihr habt sie – da möchte ich wetten – auch schon erlebt, weil wir entweder darauf gesessen, davon gegessen und darin geschlafen haben: Designer Matteo Thun und seine Kreationen sind umfassend und preisgekrönt: Hotels wie das Side-Hotel in Hamburg und das Marriott in Venedig, Porzellan für Rosenthal und Alessi, Uhren für Bulgari und Swatch. Thun war Schüler Oskar Kokoschkas, ist promovierter Doktor der Architektur, war 1981 Mitbegründer von Sottsass Associati und der legendären Design-Gruppe Memphis. 1984 gründete er seine Firma Thun & Partner für Architektur-, Design- und Kommunikation-Projekte. Matteo Thun lebt in Mailand, wo ich ihn auf der Design-Messe Salone del Mobile zum Interview getroffen habe.
Matteo Thun definiert sich in seiner Arbeit durch eco non ego – Öko statt Ego
MyStylery: Auf dem Salone del Mobile 2016 war der erkennbare Trend Holz und zwar in allen Lebensbereichen, von der Küche bis zum Bad. Wie erklären Sie sich das Revival dieses Materials?
Matteo Thun: Holz ist eine Reaktion auf die leblose Periode der 90er Jahre, in der Minimaldesign immer kälter wurde und Emotionen von der Oberfläche verschwunden sind. Wir haben nun einen Paradigmenwechsel: Im letzten Jahrhundert dominierten Beton und Zement. Und nun haben wir das Jahrhundert des Holzes. Ich bin Architekt und kann nur sagen, mit Holz baut’s sich besser als mit Zement.
Tisch ‚Icon‘ aus Walnussholz von Riva1920. Design: Matteo Thun
MS: Gerade haben Sie den Holztisch Icon für die italienische Möbelmarke Riva1920 entworfen. Wie kam es zu der Kooperation?
MT: Ich arbeite seit jeher mit Holz und auch schon lange mit Riva, denn es ist das einzige Mailänder Unternehmen, das mit Vollholz arbeitet und nicht mit laminiertem Holz. Das entspricht meinem Credo: Die Wahrheit und nicht die Lüge.
MS: Was ist Ihr derzeit wichtigstes Projekt?
MT: Das System „Welcome Homes“ – Asylantenheime, die deutschlandweit eingesetzt werden. Wir haben uns auch hier ganz bewusst für Holz entschieden. Es gibt dazu keine Alternative, wenn man schnell und preiswert bauen will. In dem Fall hat das auch nichts mit Emotionen zu tun, sondern schlicht und einfach mit dem Faktor Zeit.
„Ich bin Architekt und kann nur sagen, mit Holz baut’s sich besser als mit Zement.“
MS: Welche Design-Anfrage würde Sie ablehnen?
MT: Alles rund um‘s Auto und alles was mit Kleidern zutun hat – das sind nicht meine Baustellen.
MS: Gibt es etwas, das Sie noch nicht entworfen haben, ein Traumprojekt, das Sie gerne bauen würden?
MT: Ich möchte für Papst Franziskus eine Kirche ohne Dach bauen, als Geschenk an einen Mann, der Rom verändert hat und damit hoffentlich auch unser schönes Land und unsere Gesellschaft.
MS: Wo wird die Kirche stehen?
MT: Wo immer er will.
MS: Weiß er schon davon?
MT (lacht): Nein, noch nicht.
„Die ‚Welcome Homes‘ ist ein System für Asylantenheime“, erklärt Matteo Thun. „Damit bauen wir neue Häuser für Neuankömmlinge. Sie können auch im sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.“
MS: Was ist Ihr aktuelles Projekt?
MT: Wir sind allein 80 Mitarbeiter in Mailand und ebenso viele auf den Baustellen und davon haben wir viele (lacht). Das schönste Projekt ist derzeit unsere digitale Plattform ‚Matteo Thun Atelier‘. Ich lade Sie ein, diese Plattform zu besuchen und Sie werden feststellen, dass sie eine Designerin sind. Sie können damit alles selber machen, was Sie für Ihr Haus brauchen. Egal, ob es ein Tisch oder ein Stuhl ist. Sie brauchen keine Designer. Ich bin überzeugt, die Zukunft gehört der Losgröße* eins …
MS: Was heißt das?
MT: Das heißt, dass Sie sich den Stuhl selber zusammensetzen, den Sie wünschen.
MS: Ohne jedes Vorwissen?
MT: Ohne jedes Vorwissen. Wir sind alle Designer. Die Demokratie hat gewonnen. Schauen Sie sich die Nike-Schuhe an. Sie können den Schuh kreieren, den Sie wollen. Das ist einmalig und kostet nicht mehr. Und das versuchen wir ganz bescheiden mit dieser Plattform, insbesondere für unsere Hotels. Jeder Interior-Designer kann mit unserer Vorgabe das machen, was er für sein Projekt benötigt. Damit haben wir Design endlich zugänglich gemacht für jedermann.
MS: Haben Sie sich dadurch nicht auch selber wegrationalisiert?
MT (lacht): Ich bin bereits wegrationalisiert. Seit den 90er Jahren unterschreibe ich kein Projekt mehr mit meinem Namen. Ab und zu sickert es dann doch mal durch, dass etwas von mir ist. Ich lege keinen Wert darauf einen Mehrwert zu generieren durch einen Namen. Der Mehrwert steht für sich selbst. Es ist Ihre Vision und das was Sie wollen. BvH
„Mit ‚Matteo Thun Atelier‘ haben wir Design eigentlich zu Grabe getragen.“
Info:
*Als Losgröße bezeichnet man die Menge von Produkten eines Fertigungsauftrages
Kontakt Matteo Thun: