Wie wäre es mit einem Tee, Adrian Runhof?


Wer: Adrian Runhof
Wo: Berlin

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Die Designer Johnny Talbot und Adrian Runhof nehmen mich im Berliner Showroom in ihre Mitte

Seit 26 Jahren steht das Münchener Modelabel Talbot Runhof für klassische Eleganz und feminine Abendmode. Als die US-Schauspielerin Kristen Stewart vor Jahren in einer schwarzen Talbot Runhof-Robe während der Oscars auftrat, gelang dem Designer-Duo auch der internationale Durchbruch. Nicht nur Promis schätzen den zeitlosen Look von Johnny Talbot und Adrian Runhof. Beiden Designern ist es wichtig, dass auch normal proportionierte Frauen eine gute Figur in ihren Kleidern machen. Ich bin mit den beiden Wahl-Münchnern in Berlin verabredet, wo sie in Charlottenburg im Hinterhaus ihres 2017 eröffneten Showrooms ein Pied-à-terre bewohnen. Meet me for tea findet dann allerdings ohne Johnny Talbot statt, der spontan einer Kundin bei der Brautkleid-Auswahl behilflich ist. Ein Interview mit Adrian Runhof. Nicht nur über Mode.

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Meet me for Tea mit Adrian Runhof im Berliner Pied-à-terre der beiden Designer

MyStylery: Gemütlich habt Ihr’s hier…
Adrian Runhof: Die Wohnung wurde komplett renoviert. In diesem Raum ist der vorherige Bewohner verstorben. Da mussten erstmal die „bad vibrations“ weg.
MS: Ich finde es immer wieder spannend, wer in so einer Altbauwohnung  zuvor gewohnt hat.
AR: Geht mir genauso. In meiner Hamburger Wohnung in der Schlüterstraße, Ecke Johnsallee hatte mal ein Kaphoornier gelebt…
MS: Ein Seemann?
AR: Genau, einer der Kap Hoorn umrundet hat. Ich traf meinen Nachbarn mitten in der Nacht zufällig auf der Straße, als er mir en passant erzählte, dass der Kapitän in meiner Wohnung gestorben ist. Ich konnte fortan nicht mehr in der Wohnung sein, hatte Vorstellungen von einem Einäugigen mit Augenklappe und ‘nem Holzbein, sah ihn nachts in meiner Wohnung rumgeistern. Plötzlich realisierte ich auch, dass in der Wohnung immer etwas geknarrt hat. Das war schon unheimlich.
MS: Da kamen wohl die kindlichen Fantasien durch. Denkst Du gerne an Deine Kindheit zurück?
AR: Nein, nicht wirklich. Obwohl ich natürlich dankbar bin, in diesem Land geboren und aufgewachsen zu sein.

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„Ich denke generell nicht gerne an die Vergangenheit. Ich bin ein nach vorne gerichteter Mensch, der im Hier und Heute lebt.“

MS: Wie hast Du Deine Kindheit erlebt?
AR: Als Kind fühlte ich mich eingesperrt. Mein Elternhaus war nicht die Umgebung, in der man als Kind glücklich aufwächst. Es fühlte sich eher an, wie ein großbürgerliches Museum, wo nichts kaputt gehen durfte. Meine Eltern waren immer besorgt um uns, sie hatten Angst vor Kindesentführungen. Wir wohnten in einer riesigen Jugendstilvilla, von deren Fenster aus ich die anderen Kinder, die auf der Straße spielten, beobachten konnte. Ich durfte nicht mitspielen, denn wir mussten immer auf unserem Grundstück bleiben, auf dem es einen großen Garten gab mit Schaukel, Rutsche und Sandkasten. Die anderen Kinder durften auch nicht zu uns kommen. Meine Geschwister und ich spielten immer nur zu dritt.
MS: Hmmm…
AR: Tue ich Dir leid?
MS: Ja. Deine Eltern hatten vermutlich ihre Gründe. Aber für Euch Kinder muss das doch schwer verständlich gewesen sein.
AR: Das stimmt.

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Adrian Runhof nachdenklich beim Meet me for Tea-Interview

MS: Du kommst aus einem vermögenden Elternhaus. Wolltest Du es Deinen Eltern beweisen, indem Du Dein eigenes Ding hochgezogen hast?
AR: Darum ging es eigentlich nicht. Mir war es wichtig, nie auf meine Eltern angewiesen zu sein. Sie haben von vornherein klargemacht, dass ich ohnehin nichts bekommen würde. Während anderen Kindern aus dem gutbetuchten Freundeskreis meiner Eltern schon früh irgendwelche Immobilien überschrieben wurden. Dass ich später dann doch etwas geerbt habe, war die große Überraschung.
MS: Und wie hast Du Dich befreit von dem Kindheitstrauma des Eingesperrtseins?
AR: Ich ging nach München, das war immer mein absoluter Sehnsuchtsort. Als Jugendlicher habe ich in der Bild-Zeitung und in Bunte geblättert, sah die Kolumne von Michael Graeter und dachte, es kann nichts Schöneres geben, als Schwabing. Ich habe dann in München studiert und traf Johnny. Das war mein Rettungsanker.

MS: Und dann kam Paris.
AR: Ich kannte Paris schon aus meiner Jugend, kannte mich aus und fühlte mich zugehörig. Eigentlich bin ich jemand, der überall gerne gleichzeitig ist. Wenn wir in Amsterdam waren, wollte ich sofort dorthin ziehen, mit London ging‘s mir genauso so.
MS: In welchem Pariser Arrondissement wohnt Ihr?
AR: Im ersten. Wir sind alle zwei Monate dort. Ich bin aber auch gerne in Berlin und freue mich, dass wir hier unsere kleine Wohnung haben. Wir sind auch regelmäßig in Zürich und pendeln zwischen den Städten.
MS: Ein Leben aus dem Koffer. Das klingt nach einer gewissen Rastlosigkeit…
AR: …die mir nicht sonderlich gut gefällt. Ich komme gerne an. Reise aber nicht gerne ab. Das bringt der Modezirkus aber mit sich (lacht).
MS: Und welchen Deiner Standorte bevorzugst Du?
AR: München. München steht für Kontinuität, keiner zieht weg, alles ist an seinem Platz. In Paris weiß man vorher nie, ob vielleicht eingebrochen wurde, es einen Wasserschaden oder Mäusebefall während deiner Abwesenheit gegeben hat.

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„Berlin spielt nicht in vorderster Front im internationalen Fashionbusiness. Obwohl der hiesige Streetstyle junge Labels beeinflusst. Berlin ist zweifelsohne eine Metropole, in der Mode entsteht.“

MS: Seit 26 Jahren seid Ihr im Modebusiness. Wie schafft Ihr es, in der Branche zu bestehen?
AR: Es hat viel mit Disziplin zu tun. Wir müssen 32 Teile pro Kollektion entwerfen, die Show in Paris steht an, da lastet schon ein ziemlicher Druck auf uns. Man muss in verschiedenen Dingen gleichzeitig gut sein. Kreativität, Mut, ein gutes Produkt, kaufmännisches Knowhow, Kontaktpflege zählen dazu. Man muss aber auch sein eigenes Potenzial erkennen, die eigenen Grenzen ausloten, stets ehrlich mit sich sein. Wir haben ein gutes Team. Und was Johnny und mich betrifft: Wir machen beide alles.
MS: Bei Euch lief‘s nicht immer rund. Eure Putzfrau hat Euch anfangs mit einer Finanzspritze unter die Arme gegriffen.
AR: Das war wirklich so. Seitdem ging es bergauf, wenn auch in kleinen Schritten. Rechnen müssen wir heute immer noch. Dafür sind wir eigenfinanziert. Bei uns gibt es nicht den großen Investor im Hintergrund.

MS: Deine Stärke?
AR: Ich kann meine Dilettanz gut kaschieren. Ich habe nichts gelernt und kann nichts richtig gut.
MS: Ist das jetzt Fishing for Compliments?
AR: Vieles kann ich halb gut. Ich kann keine Bilanzen lesen, kann nicht zeichnen, habe keine Geduld, kann mich kreativ nicht ausdrücken.
MS: Das klingt ein bisschen verzweifelt. Vielleicht legst Du den Maßstab an Dich selber zu hoch an.
AR: Nein. Das ist mein Selbstverständnis. Während meines Studiums habe ich immer alle Bücher gekauft, die uns empfohlen wurden. Mit dem Kauf dachte ich dann aber auch, es ist alles erledigt. Dabei hatte ich nicht ein einziges Exemplar auch nur gelesen. Trotzdem kam ich irgendwie durch.

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„Inspirationen für die nächste Kollektion? Der bestickte Kragen deiner Bluse zum Beispiel ist vielleicht eine Idee für das nächste Kleid. Die Straße, das Fernsehen, Bücher – man wird ja geradezu bombardiert mit Eindrücken. Aber man muss sie filtern.“

MS: Ihr habt Euch schnell im internationalen Markt etablieren können. Was kann jetzt noch kommen?
AR: Die Branche ist sehr dynamisch, neue Märkte in Asien, Länder, die mich eigentlich nicht interessieren, die aber trotzdem bedient werden müssen. Das dortige Statusdenken und die reine Orientierung am Brand ist nicht meins. Mir fehlt da die Subversivität.
MS: Merkwürdig, dass Euch die großen Onlineshops wie „Net a Porter“ oder „Mytheresa“ nicht führen.
AR: Ja, und das kränkt mich. Vermutlich liegt es daran, dass wir nicht die Relevanz in den neuen Medien haben. Wir machen eben keine bedruckten Logoshirts, auf denen man gleich erkennen kann, von wem sie sind.

MS: Was haltet Ihr denn von Fashionbloggern?
AR: Wenn wir früher eine Veröffentlichung in einem Magazin hatten, gab‘s eine messbare Nachfrage. Bei Blogs oder Posts hingegen gibt es nur wenige Reaktionen. Da muss schon eine Caro Daur unser Kleid zu Silvester in Dubai getragen haben. Bei 70.000 Likes melden sich dann vielleicht zwei Leute und fragen, wo sie das Kleid kaufen können.
MS: Ist der Hype um die Modeblogger vielleicht auch eine Blase, die irgendwann platzt?
AR: Durchaus möglich. Aber die Budgets der Highend-Brands sind sehr hoch, denen geht so schnell nicht die Puste aus. Interessant ist, dass in den USA immer noch 70 Prozent der Werbeetats in Printmedien fließen und nur 30 Prozent Online. Dabei werden gerade dort 90 Prozent digitale Medien konsumiert und nur noch zehn Prozent im Printbereich. Wir setzen auf gute PR. Das Herzstück unserer Öffentlichkeitsarbeit ist das Defilee in Paris, wo nicht nur viel Energie, sondern auch viel Geld investiert wird, mit dem Ziel einer weitreichenden, medialen Berichterstattung.

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„Die KPM-Tasse gefällt mir deshalb so gut, weil sie klassisch ist und trotzdem modern,“ sagt Adrian Runhof über das KPM Kurland Service

MS: Wie ist Dein eigenes digitales Nutzerverhalten?
AR: Ich hänge natürlich auch nur am Handy. Neulich gab’s ein technisches Problem. Da setzt dann schon das Gefühl einer leichten Panik ein. Ohne Handy ist’s ganz schrecklich (lacht).
MS: Bist Du ein Online-Shopper?
AR: Nur. Ich kaufe jeden Kochlöffel online und nichts mehr in realen Shops.
MS: Die Kuh die man melkt, soll man nicht schlachten, sagt man. Immerhin habt Ihr selber auch Ladengeschäfte.
AR: Als Kunde fand ich Läden schon immer schrecklich. Wie viele Jeans habe ich in meinem Leben schon gekauft, von denen die Verkäufer behaupteten, ach, die sitzt aber perfekt. Das Gegenteil war der Fall, wie ich im Nachhinein feststellen musste (lacht).

MS: Ist es schwierig, neben den Branchenriesen in Paris zu bestehen?
AR: Man darf nicht den Fehler machen, sich mit Labels bzw. den Shows von Louis Vuitton zu vergleichen. Aber es wäre doch blöd, in Berlin die beste Show zu zeigen und keiner kommt. Wobei der Berliner Salon eine erfreuliche und wichtige Ausnahme ist.
MS: Fällt es Euch schwer, Job und Privates voneinander zu trennen?
AR: Talbot Runhof ist unser Projekt und das verbindet auf allen Ebenen. Auch, wenn wir mittlerweile in München getrennt voneinander wohnen, machen wir vieles zusammen. In Berlin kaufen wir zusammen im KaDeWe ein, in Paris gerne auf dem Markt. Die Schauspieler Nadja Tiller und Walter Giller wurden mal nach dem Rezept für eine lange Partnerschaft gefragt: Man muss einfach akzeptieren, dass man den anderen nicht ändern kann. Und da ist was dran. Johnny steht mir am nahesten, das ist eine ganz bestimmte Art der Vertrautheit, der Innigkeit und das ist toll. Wir haben ja auch einen gemeinsamen Hund, einen Border Terrier, ein wichtiger und verbindender Faktor.

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„Wenn wir 10.000 Euro hatten, haben wir immer dafür gesorgt, nicht mehr als 11.000 auszugeben. Das ist ein allgegenwärtiges Problem in der Branche. Unser Motto ist: It’s all about knowing when to stop.“

MS: Und Ihr trinkt Tee…
AR: Absolut. Morgens geht’s los mit Ingwertee. Detoxen und Gesundbleiben ist mir wichtig. Die KPM-Tassen sind übrigens toll. Ich habe mich spontan gefreut, als ich sie vorhin hier gesehen habe und hatte gehofft, dass sie unsere neueste Errungenschaft sind. Die passen farblich doch perfekt zum Grün unserer Wände (lacht). Von dem vielen Geschirr, das ich von Zuhause geerbt habe, gibt es nur ganz wenige Dinge, die ich mag. Eine Glasserie aus den Sechzigern von Theresienthal mit Goldrand zum Beispiel, die bei meinen Eltern in einer Vitrine stand. Bei uns wird’s benutzt. Auch auf die Gefahr hin, dass mal etwas kaputt geht. Das gehört dazu.
MS: Ihr schafft es, Euch immer wieder neu zu erfinden. Filme, wie „High Society“ werden von Talbot Runhof ausgestattet, für die MS Europa2  habt Ihr „Fashion 2 Sea“ entworfen und für die Meiersche Kunstanstalt „Couture Federtops“.
AR: Stimmt. Wann immer wir Leute treffen, die wir interessant finden, sagen wir: Lass uns doch mal was zusammen machen. Uns gehen die Ideen so schnell nicht aus.  BvH

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„Der antike Schrank ist ein Erbstück von meiner Mutter“, erzählt Adrian Runhof, der in Mainz geboren wurde und in Wiesbaden aufwuchs. „In München passte er nicht in unser Wohnkonzept. Da ist alles sehr modern und mehr auf Design. In Berlin hat er nun einen guten Platz gefunden.“

Kontakt Adrian Runhof

talbotrunhof.com

 

There are 4 comments for this article
  1. Carmen
    at 13:04

    Es war mir, wie immer, eine Freude. Sehr unterhaltsam. Schade, dass die Blogbeiträge so selten sind. Freu mich schon auf den nächsten Beitrag.

    • at 14:43

      Hallo liebe Carmen! Danke für Lob und Anerkennung. Nächste Woche ist ja schon der nächste Beitrag geplant.;-) Öfters ist es für mich zurzeit in der journalistischen Qualität – und die erwartet Ihr ja hier zu recht! – leider nicht zu schaffen. Liebe Grüße!

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