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Das Schlossfräulein von Berlins Pfaueninsel
Was: Ein Ausflug zur Pfaueninsel
Wo: Berlin
„Seid ihr eigentlich schon mal auf der Pfaueninsel gewesen“, fragte ich meine Lieben am Wochenende, während wir auf der Terrasse des 2015 wiedereröffneten Restaurants Wannseeterrassen saßen und die herrliche Aussicht auf’s Wasser und die vielen Segler genossen. War natürlich keiner von uns, denn wer ist schon als Tourist in der eigenen Stadt unterwegs, wenn nicht gerade auswärtige Freunde oder die angerückte Verwandtschaft entertaint werden wollen. Es folgte allgemeines Schulterzucken und dann auch noch eine Verwechslung mit der Villen-Insel Schwanenwerder. Hier schien nun Klärungsbedarf: Keine zehn Minuten später erreichten wir den Anleger der Fähre, die uns mit einer kurzen Fahrt über die Havel auf die Insel übersetzte.
An die hundert Pfauen leben zurzeit auf der Pfaueninsel und so verwundert es nicht, dass wir nach unserer Ankunft prompt auf einen solchen stießen. In Begleitung seiner eher blassbräunlich gefiederten Partnerin – ungerecht verteilt von der Natur, nebenbei mal bemerkt – zeigte uns der stolze Pfau leider trotzdem nicht sein buntgefiedertes Rad. Dafür ist die Natur, die Flora und Fauna dieser Insel einfach unfassbar schön: In dem 67 Hektar großen Landschaftspark, seit 1990 von der UNESCO als Weltkulturerbe deklariert, ist ein grünes Paradies und ein Hort seltener Pflanzen und Tierarten. Und die Pfaueninsel ist zudem eng verbunden mit der brandenburgisch-preußischen Geschichte.
Einst diente die Pfaueninsel den Preußenkönigen als Rückzugsort. Friedrich Wilhelm II., der Neffe des Alten Fritz, ließ von 1794 an auf der Südwestspitze des Werders ein Lustschloss für sich und seine Geliebte Wilhelmine Encke – spätere Gräfin Lichtenau – erbauen. Damit begann die große Zeit des Eilands, das damit erst wirklich zur Pfaueninsel wurde. Sein Sohn Friedrich Wilhelm III. beauftragte die Vollendung des begonnenen Landschaftsparks im englischen Stil. Ein Meierhof zur Milchproduktion wurde angelegt und das für adlige Gäste vorgesehene Kavaliershaus mit gotischen Fassaden erweitert. Große Künstler ihrer Zeit wie Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné und Baumeister Karl Friedrich Schinkel kreierten im 19. Jahrhundert unter Mithilfe des Hofgärtners Fintelmann aus der Insel ein künstliches Paradies. Es gab dort Kängurus, Bären und einen Löwen, Schattenpalmen und Götterbäume, den Südseeinsulaner Maitay, den man kurzerhand in Heinrich Wilhelm umbenannt hatte, einen Riesen namens Karl Friedrich Licht und Zwerge.
Und die Zwerge mit ihrer ganz eigenen Geschichte waren der Grund, weshalb ich schon länger den Wunsch hatte, die Insel und die damit verbundene Geschichte zu erkunden. Konkret, seitdem ich den Roman „Pfaueninsel“ von Thomas Hettche gelesen habe, in dem der Autor das Zwergen-Geschwisterpaar Christian und Maria Dorothea Strackon und die anderen genannten Figuren samt der Insel-Historie zum Leben erweckt. Ein Geschenk meiner Freundin Christine, das ich innerhalb weniger Tage verschlang und das mich in eine andere Welt entführte. Es ist die Liebesgeschichte der Zwergin Marie, dem historisch verbrieften Schlossfräulein, die als Waise im Alter von sechs Jahren samt Zwergenbruder Christian auf die Insel kommt. Die sich in Gustav, den Neffen des Hofgärtners verliebt, der mit ihr aufwächst. Der auch sie immer schon liebte, aber nicht mit ihr zusammen sein kann, weil ihre Kleinheit, ihre krummen Beine, die platte Nase und hohe Stirn sie nach und nach zu einer anderen machen, einer Fremden aus einer anderen Welt, die auch über die Liebe nicht mehr integrierbar ist in das Gefühlsleben des vernünftigen, mittlerweile erfolgreichen Mannes und nicht integrierbar ins immer vernünftiger werdende Zeitalter selbst, das beginnende Maschinenzeitalter. Hettches Liebesgeschichte erzählt von der Zurichtung der Natur, der Würde des Menschen, dem Wesen der Zeit und der Empfindsamkeit der Seele und des Leibes – und nicht zuletzt von der Liebe in ihren mannigfaltigen Erscheinungen, auf deren Spuren ich nun also über die Insel gewandelt bin. Eintauchen in die Welt Maries, die Autor Thomas Hettche so einfühlsam und facettenreich in seinem Buch beschreibt.
Und so liefen wir vom Schloss bis hoch zur Meierei, vorbei am Kavaliershaus und der Picknickwiese, wo Erfrischungen angeboten werden. Am besten gefiel mir der Garten mit seinen Beeten und Stauden und den sanften Hügeln, die bis zu Havel hinunterführen. Hier möchte ich das nächste Mal meinen Picknickkorb aufklappen und einfach nur im Gras liegen. Und mich weiter in die Welt der Zwergin Marie und der Preußenkönige hineinträumen. BvH
Preußisches Paradies
Unesco Weltkulturerbe
Es grünt so grün
Der Duft von Lavendel
Info Pfaueninsel
Die Insel liegt im wald- und wasserreichen Ortsteil Wannsee ist 22 Kilometer von Berlins Stadtmitte und fünf Kilometer von Potsdams entfernt. Eingebettet in eine komplexe, historisch vielschichtige Kulturlandschaft ist die Pfaueninsel mit einer Fläche von 88 Hektar, davon 67 Hektar Landfläche, seit 1924 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das Naturschutzgebiet ist als Fauna-Flora-Habitat gemeldet und Teil des EU-Vogelschutzgebietes. Die Pfaueninsel wird als „Preußisches Paradies“ bezeichnet.
Anfahrt Pfaueninsel
Von der Berliner Innenstadt mit der Buslinie 218 ab U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz durch den Grunewald und weiter über S-Bahnhof Wannsee. Anschließend erfolgt die kurze Fährüberfahrt zur Pfaueninsel.
Liebe Birgit,
vielen Dank für den wunderschönen Beitrag über die Pfaueninsel. Wie immer hast Du
die tollen Eindrücke mit uns geteilt. Für mich als Naturliebhaber war es eine Freude.
Liebe Carmen, das wäre doch ein guter Grund für einen Besuch in Berlin, oder?
Herzliche Grüße von Birgit
Sehr geehrte Frau von Heintze,
gestatten Sie mir eine Anmerkung zum Kavaliershaus: Die Fassade ist nicht gefakt – 1824-1826 ließ Schinkel die Nebengebäude des bisherigen Wohntraktes von 1803 abreißen und setzte vor den südlichen Turm die Fassade eines Patrizierhauses aus Danzig, erbaut um 1520. Der König – Friedrich Wilhelm III. – hatte sie 1823 dort erworben, nachdem das Haus [in Danzig] zum Abbruch bestimmt war.
Beim Wiederaufbau Danzigs nach dem 2. Weltkrieg entstand dort eine Kopie des auf der Pfaueninsel befindlichen Originals.
Mit freundlichen Grüßen
Jarno
Liebe(r) Jarno,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich freue mich über diese Information, die ich übrigens auf der Insel selber recherchiert hatte. Aber man lernt nie aus. Herzliche Grüße, Birgit v. Heintze