Schwarz oder Grün, Klaus Wowereit?


Wer: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister a.D.
Wo: Berlin

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Meet me 4 Tea: Berlins ehemaliger Regierende Klaus Wowereit und ich im Hotel de Rome

Fast 14 Jahre lang war Klaus Wowereit Bürgermeister Berlins. Ich bin mit dem ehemaligen Regierenden auf einen Tee im Hotel de Rome verabredet. Mit federndem Schritt und einem flotten Spruch zur Begrüßung betritt er die Lobby. Seit drei Jahren ist der gebürtige Berliner und studierte Jurist nicht mehr im Amt. Vom Rentnerdasein ist Klaus Wowereit jedoch meilenweit entfernt. Obwohl der sonnengebräunte Hobbygolfer gerade von einem 14tägigen Mallorca-Urlaub zurückgekehrt ist.

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Von Politrentner keine Spur: „Etwas zu tun zu haben ist wichtig, um nicht zu verrosten.“

MyStylery: Klaus, in drei Monaten ist Bundestagswahl und die SPD befindet sich zurzeit im freien Fall. Kann man mit Martin Schulz die Wahl noch gewinnen?
Klaus Wowereit: Ja selbstverständlich. Seine Umfragewerte kletterten innerhalb kürzester Zeit über 30 Prozent und es gab 17.000 neue Parteieintritte.
MS: Trotzdem hat die SPD drei Landtagswahlen in Folge verloren. War es ein Fehler, Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten zu nominieren?
KW: Drei verlorene Landtagswahlen waren schon bitter. Martin Schulz genießt dennoch große Sympathie.
MS: Offenbar nicht genug, um ihn zu wählen.
KW: Der anfängliche Hype ist vorbei, die Frage ist, was kommt danach. Ein Herausforderer hat es immer schwerer als der Amtsinhaber.
MS: Was würdest Du Martin Schulz raten?
KW: Das Wichtigste ist, die Nerven zu behalten. Das Profil der SPD schärfen und auf das Gerechtigkeitsthema setzen.

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„Was ich Martin Schulz rate? Die Nerven behalten. Das Profil der SPD schärfen und auf das Gerechtigkeitsthema setzen.“

MS: Kribbelt es Dir in den Fingern, wenn Du das alles siehst? Möchtest Du da nicht doch nochmal mitmischen?
KW: Einerseits denke ich, Gott sei Dank, damit hast du nichts mehr zu tun. Andererseits hätte ich gerade hier gerne etwas gesagt.
MS: Nämlich was?
KW: Ach, weiß ich jetzt gar nicht. Mein Kurzzeitgedächtnis. (lacht). Schöne Tasse übrigens.
MS: Das ist KPM. Weißt Du, dass jede Tasse dieser farbigen Kurland-Serie ein Unikat ist und  auf der Unterseite entsprechend signiert wurde?
KW: Ich habe zu Hause auch so eine große KPM-Tasse mit meinen Initialen, ein sehr schönes Stück. Ich bin ein großer Freund von Kurland. In meiner Generation gehörte das sogenannte gute Service zum guten Ton oder in die Aussteuer, selbst in Familien mit geringerem Einkommen. Auf Hochzeitslisten sammelte das Brautpaar sein neues Geschirr. Das scheint ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Heute zählt mehr der Pragmatismus.

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„KPM ist ein wunderbares Produkt und ich finde es bemerkenswert, mit welchem historischen Bewusstsein sich KPM-Chef Jörg Woltmann engagiert. Da kann Berlin sehr dankbar sein.“

MS: Bist Du Teetrinker?
KW: Ja. Am liebsten Darjeeling Tee, aber auch gerne Friesenmischungen.
MS: Und den kochst du selber?
KW: Ja, und ich nehme keine Teebeutel, sondern lose Teeblätter aus der Dose. Ich erinnere das aus Zeiten in Emden, wo der Tee traditionell ganz anders zubereitet wird, man trinkt ihn mit Kandis und geschöpfter Sahne. Ein besonderes Tee-Erlebnis war ein Hightea in Kapstadt im Hotel Mount Nelson. Ich mag diese Kombination aus herzhaften Toasts und süßen Scones. Die dürfen natürlich nicht zu schwer sein, aber mit etwas Whipped Cream geht’s irgendwie immer.

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Im Berliner Rathaus gibt es für große Dinners und offizielle Gäste auch ein Service von KPM

MS: Du bist jetzt schon im dritten Jahr als Politrentner unterwegs. Was hat sich im Vergleich zu Deinem früheren Leben verändert?
KW: Ich war zu Amtszeiten komplett durchgetaktet. Nachts nach Hause kommen, kurz schlafen, am nächsten Tag früh den ersten Termin und das sieben Tage die Woche. Das war nach meinem Rücktritt schlagartig anders.
MS: Bist Du in das berüchtigte Loch gefallen?
KW: Ich hatte die Hoffnung, dass es mich nicht trifft. Ich genieße es, viel Freizeit zu haben. Doch plötzlich will Freizeit gestaltet werden. Falsch wäre es gewesen, zu allem Ja zu sagen, nur um der Leere nicht zu begegnen. Nur für mich und meinen Mann dazu sein, wäre mir aber auch zu wenig. Ich engagiere mich für die Berliner Aidshilfe, bin im Präsidium des Verbandes Berliner Kaufleute und zurzeit Schlichter im Tarifkonflikt zwischen Euro- und Germanwings. Ich freue mich über das entgegengebrachte Vertrauen. Trotzdem muss ich aufpassen, nicht wieder in den alten Termin-Stress zu verfallen. Heute stehe ich morgens eine Stunde später auf, nehme mir Zeit zum Frühstücken und Zeitunglesen und gehe gerne einkaufen.
MS: Bist Du bei Euch jetzt der Hausmann?
KW: Nein. Das geht abwechselnd. Wir teilen uns die anfallenden Aufgaben. Kochen tun wir beide gerne. Allerdings nicht zusammen. (lacht). Ich bin zuständig für Fisch, Geflügel und Braten. Jörn macht die Hackfleischgerichte oder Gulasch.

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„Natürlich spreche ich über Jörn als meinen Mann.“ Der Arzt Jörn Kubicki und Klaus Wowereit sind seit 24 Jahren ein Paar, aber nicht verheiratet

MS: Ist Jörn genervt, dass Du jetzt so viel zu Hause und damit sehr präsent bist?
KW: Das soll ja vorkommen. Aber Nein. Der freut sich darüber.
MS: Frau Merkel begeistert sich plötzlich für die gleichgeschlechtliche Ehe. Seid Ihr eigentlich verheiratet?
KW: Nein. Das ist ja auch erst seit 2001 möglich. Wir kennen uns bereits seit 1993. Natürlich spreche ich über Jörn als meinen Mann. Partner oder Lebensgefährte klingt doch blöd.
MS: Wie hat sich Berlin unter Deiner Ägide verändert?
KW: In Berlin galten eigene Anstrengungen lange Zeit als nicht notwendig, unabhängig vom Gesellschaftskreis. Nach dem Motto, das Geld kommt schon von irgendwo. Diese Haltung wollte ich ändern.

Arm, aber sexy

MS: Der von Dir geprägte Satz Berlin ist arm, aber sexy …
KW: … hat heute noch eine gewisse Gültigkeit im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten. Berlin hat aber auch in der wirtschaftlichen Entwicklung enorm aufgeholt und ist international geworden. The Place to be. Für junge Menschen, für Kreative.
MS: Für Dich auch?
KW: Absolut. Für mich ist Berlin alternativlos. Ich bin hier geboren und fühle mich nach wie vor sehr wohl. Ich mag die vielen Nischen, die Einzigartigkeit der Viertel, der sogenannten Kieze. Für jeden ist etwas dabei.
MS: Du lebst seit elf Jahren in einer Altbauwohnung in Berlin-Wilmersdorf.
KW: Ich kann dort fast alles fußläufig erledigen, gehe zum Fleischer meines Vertrauens und kenne den Bäcker, der seine Brötchen noch selber backt.

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„Die Begegnung mit der Queen war schon ein Highlight. Ich bewundere ihre ruhige, fast schon gelassene Art und ihren Humor.“

MS: Du hast während Deiner Amtszeit drei US-Präsidenten kennengelernt, George Bush, Bill Clinton und Barack Obama. Welcher war Dir am nähesten?
KW: Bill Clinton habe ich nicht nur in Berlin gesprochen, sondern auch in Wien und New York. Einmal in kleiner Runde in einer Jagdhütte im Schwarzwald. Das verbindet. Man merkt ziemlich schnell, wenn es eine gemeinsame Gesprächsebene gibt.
MS: Der Queen bist Du mehrfach begegnet. Begrüßt sie Dich jetzt mit „Hello Mr. Wowereit“?
KW (lacht): Als ich sie zuletzt beim Britischen Botschafter sah, war zumindest eine Wiederkennung da. Die Begegnung mit der Queen war schon ein Highlight. Ich bewundere ihre ruhige, fast schon gelassene Art und ihren Humor.
MS: Was hättest Du rückblickend anders gemacht?
KW: Die Erhöhung der Kita-Beiträge war ein absoluter Fehler. Glücklicherweise wurden sie dann ganz abgeschafft.

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„Ich kann durchaus verstehen, dass viele Leute Tegel so gerne mögen. Er ist zentral, aber er ist zu klein.“

MS: Apropos Flopp – freust Du Dich schon auf die Eröffnung des BER?
KW: Ich mache mehrere Kreuze, wenn das endlich mal zu Ende gebracht wird. Der BER ist nach wie vor ein Punkt, der mich sehr ärgert.
MS: Glaubst Du an die Eröffnung in 2018?
KW: Ich habe es mir abgewöhnt, Prognosen abzugeben.
MS: Als Aufsichtsratsvorsitzender des BER standest Du ganz schön unter Beschuss: Du warst an allem Schuld.
KW: Ich war die Galionsfigur, die man beschimpfen konnte, aber ich war ja nicht allein verantwortlich, nur weil sich andere vom Acker gemacht haben. Das war eine harte Zeit.
MS: Der Flughafen gilt jetzt schon als zu klein und veraltet. Abreißen und neu bauen lauten Forderungen.
KW: Der BER ist ein riesen Erfolg der Flughafengesellschaft.

BER – ein Riesenerfolg

MS: Wie bitte? Höre ich da Ironie?
KW: Nein. Im Gegenteil. Das Passagieraufkommen hat sich auf 30 Millionen Passagiere pro Jahr gesteigert. 2001 waren es nicht mal zehn Millionen. Als der BER 1996 geplant wurde, galt er übrigens als zu groß.
MS: Heute weiß man, dass der BER keine 30 Millionen Passagiere bewältigen kann. Fliegst Du eigentlich auch gerne ab Tegel?
KW (lacht):  Jetzt aber bitte keine Fangfragen. Ich kann durchaus verstehen, dass viele Leute Tegel so gerne mögen. Er ist zentral, aber er ist zu klein.
MS: Der BER liegt doch am Ende der Welt.
KW: Och, das ist doch wieder diese Westberliner Sichtweise.
MS: Ich wohne im Osten…
KW: Guck Dir mal an, wie weit der Münchener Flughafen vom Stadtzentrum entfernt liegt oder die Flughäfen anderer europäischer Metropolen.
MS: Es gibt nun aber den Bürgerentscheid. Wäre es da nicht mal an der Zeit, hinzuhören, was die Leute wollen?
KW: Das ist eine sehr emotionale Frage. Es sind aber die Fakten, die Rechtslage, an denen auch die FDP nicht vorbeikommt.

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Klaus Wowereit: „Heute freue ich mich darüber, dass ich mir aussuchen kann, was ich mache und genieße das dann auch. Es ist kein Muss mehr dahinter. Ich gehe gerne zu Theater- oder Opernpremieren, zu denen ich auch immer noch eingeladen werde.“

MS: Unabhängig von welchem Flughafen Du abfliegst: Wohin möchtest Du noch reisen?
KW: Gerne für eine längere Tour nach Australien und Neuseeland. Wir mögen Städtereisen, zuletzt waren wir in Budapest und Wien. Als nächstes geht’s nach Island.
MS: Du hattest als Regierender den Beinamen Partymeister. Hat Dich das gestört?
KW: Ja, denn es war diffamierend gemeint. Nicht jeder Empfang ist eine Party, nur weil man ein Glas in der Hand hält. Bambi-Verleihung oder Berlinale gehören zum Job dazu und für den Regierenden Bürgermeister sind das oft Pflichttermine, auf denen ich Reden gehalten habe und ansprechbar sein musste.

Nicht jeder Empfang ist eine Party

MS: Wie bist Du mit Kränkungen umgegangen?
KW: Kränkungen lassen sich in politischen Ämtern wohl kaum vermeiden. Wenn man allerdings selber betroffen ist, fühlt es sich nochmal anders an. Am schlimmsten ist es für das persönliche Umfeld, Familie und Freunde. Ich habe mir im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt und Beleidigungen nicht zu nah an mich herangelassen. Politiker wollen immer geliebt werden.
MS: Wenn Du heute durch die Stadt gehst, begrüßen Dich die Leute mit Herr Bürgermeister.
KW: Stimmt. Und das freut mich. Wenn sie dann sagen, dass man mich vermisst, ist das schön zu hören. Ich kann mit meinem beruflichen Leben sehr zufrieden sein. Nicht viele können ihr Hobby zum Beruf machen. BvH

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Vor elf Jahren eröffnete Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister das Hotel de Rome in Berlin, unserem Treffpunkt für „Meet me 4 Tea“

Die Interview-Reihe „Meet me 4 Tea“ wird gesponsort von KPM – Königliche Porzellan-Manufaktur.

There are 2 comments for this article
  1. Patrick Uhl
    at 10:31

    Liebe Birgit, ich bin leider jetzt erst zum Lesen des Artikels gekommen!
    Wie immer eine Freude!
    Toll geschrieben… BIG LIKE <3

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